„Ich ziehe aus meinen Investments bislang eine Menge Spaß, wichtige Erfahrungen und eine positive Rendite“

Wie wird man zum Crowd-Investor und welche Erwartungen an die Entwicklung eines Unternehmen sind realistisch? Unter dem Motto „Investoren im Gespräch“ haben wir mit Enrico Bitto darüber gesprochen. Er ist einer der ersten Investoren bei Seedmatch gewesen und hat 2011 zum ersten Mal über Crowdinvesting in Unternehmen investiert.

Seedmatch: Hallo Enrico! Du bist 2011 einer der ersten Investoren bei Seedmatch gewesen – wie bist du auf Crowdfunding für Startups aufmerksam geworden? Was fasziniert dich an dieser Investment-Klasse?

Enrico Bitto: Hallo Tobias, ich hatte damals gerade meine Abschlussklausuren meines Wirtschaftsstudiums geschrieben und die nachfolgenden Wochen viel gelesen; darunter auch einen Artikel in der FAZ über die Möglichkeit, bei Seedmatch in Startups zu investieren. Ich hatte bereits ein kleines Aktienportfolio, aber die Chance, Gründer mit einer Geschäftsidee zu fördern und einem Unternehmen von Beginn an beim Wachstum zu begleiten, hat mich sofort fasziniert. Deswegen habe ich mir den Termin für den Fundingstart von Cosmopol aufgeschrieben und frühzeitig investiert.

Seedmatch: Wie sieht dein Portfolio insgesamt aus? Welchen Anteil machen dabei Startup-Investments per Crowdfunding aus und wie viele Projekte hast du dabei insgesamt unterstützt?

Enrico Bitto: Mein Portfolio ist aktuell (Stand: Ende Februar 2016) sehr cashlastig (50 % in Guthaben, Tagesgeld, Festgeld), da ich meine Aktienquote (26 %) in den letzten Monaten stark verringert habe. Die nächstgrößten Assetklassen sind P2P-Investments (11 %) und Investitionen in Startups (12 %). Insgesamt habe ich bislang über verschiedene Instrumente in 62 Startups investiert.

Seedmatch: Wie haben sich die Startups in deinem Portfolio seit dem Zeitpunkt des Investments entwickelt und wie schätzt du diese Entwicklung ein?

Enrico Bitto: Von den 62 Investitionen sind bislang etwa 15 % ausgefallen und 5 % durch Rückkauf oder Exit beendet worden. Weitere 10 % bis 15 % sind „Zombies“ – also Startups, die vermutlich in Kürze ausfallen werden. Bei den restlichen 65 % gibt es aktuell nichts zu meckern. Wenn ich die Marktwerte anhand der Multiple für eine Renditeberechnung zu Grunde lege, steht meine aktuelle Gesamtrendite bei 31 % seit dem ersten Investment.

Seedmatch: Wie sieht deiner Meinung nach eine realistische Erwartungshaltung an die Performance von Startups aus?

Enrico Bitto: Grundsätzlich muss man sich bewusst sein, dass Investitionen in Startups mit einem hohen Risiko behaftet sind. Daraus folgt meines Erachtens aber auch eine hohe Renditeerwartung. Ich persönlich erwarte langfristig eine zweistellige Minimum-Rendite meiner Investments, die allerdings einer hohen Volatilität unterliegt. In schlechten Jahren kann also auch mal eine negative Rendite unterm Strich stehen. Bislang zeigt die Realität, dass das möglich ist. Man muss dabei aber beachten: Ich schaue auf die Wertentwicklung, d. h. die Rendite ist mir noch nicht tatsächlich zugeflossen.

Seedmatch: Vor jedem Investment sollte man seine Entscheidung mit Informationen untermauern. Wie gehst du dabei vor und worauf achtest du besonders?

Enrico Bitto: Im Grunde genommen gibt es für mich vier wichtige Kriterien, die ich beachte:

  1. Das Startup gefällt. Die Geschäftsidee ergibt Sinn und die Gründer sind kompetent.
  2. Der Businessplan und die Bewertung stehen in einem gesunden Verhältnis zueinander, sodass auch eine echte Renditemöglichkeit besteht.
  3. Der Vertrag beinhaltet keine Fallstricke, die mich vom Investieren abhalten würden.
  4. Mein aktueller Risikoappetit gibt es her, dass ich weiter in Startups investiere. Beispiel: Wenn Investitionen in Startups bereits 50 % meines Portfolios ausmachen, werde ich wesentlich selektiver und defensiver agieren, als bei einer Quote von 12 %.

Seedmatch: Welche Rolle spielt die Plattform als Vermittler bei deiner Investment-Entscheidung? Was ist dir wichtig, was findest du vielleicht verbesserungswürdig?

Enrico Bitto: Das Wichtigste, was die Plattform mir als Investor vorgibt, ist die Vertragsstruktur. Ist der Vertrag so gestaltet, dass ich als Investor massive Nachteile habe, investiere ich nicht. Gute Kommunikation und das Bereitstellen eines anständigen Investorenbereichs sind sicherlich auch hilfreich. Das Entscheidende aber sind der Vertrag und der Dealflow.

Seedmatch: Weil du nach einem Blog gesucht hast, der aus Investorensicht das Thema Crowdinvesting aufgreift, jedoch nicht fündig geworden bist, hast du deinen eigenen Blog ins Leben gerufen. Welche Inhalte und welchen Mehrwert willst du Crowd-Investoren auf derstartupinvestor.de bieten?

Enrico Bitto: Ich möchte das Thema Crowdinvesting in die Öffentlichkeit tragen und aufzeigen, dass man mit dieser Anlageklasse Geld verdienen kann. Den Lesern möchte ich ein Forum bieten, wo wir Investoren uns über Tools und Vorgehensweisen beim Investieren austauschen können und uns gegenseitig helfen. Als Gedankenanstoß stelle ich meine Portfolio-Entwicklung, Vorgehensweise beim Investieren und Tools ins Netz. Ich ziehe aus meinen Investments bislang eine Menge Spaß, wichtige Erfahrungen und eine positive Rendite und wünsche mir, dass es anderen Investoren genauso geht.

Seedmatch: Enrico, vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg beim Investieren!

7 Comments

  1. Rainer
    4. Mai 2017

    Sehr geehrter Herr Enrico Bitto,

    leider machen viele Investoren keine so positiven Erfahrungen wie Sie. Von den sechs Startups, bei denen ich mich in den letzten 15 Monaten beteiligt habe, haben bereits 2 Insolvenz angemeldet, 2 haben im letzten Quartal praktisch keinen Umsatz mehr erwirtschaftet und stehen m.E. unmittelbar vor der Insolvenz. Lediglich ein Startup meldet bislang Bilanzzahlen, die im Rahmen der Planung liegen, benötigt aber für das angestrebte Wachstum weiteres Geld…
    Obwohl ich auf eine Diversifizierung geachtet habe (Energieeinsparung, Online-Handel, Lifestyle, Dienstleistungen) und alle Startups von atemberaubenden Ersterfolgen berichteten, wurde die Enttäuschung von Quartalsbericht zu Quartalsbericht größer und die Hoffnung ist inzwischen der bitteren Ernüchterung gewichen.

    Die Investoren begeben sich mit Ihrem Investment in eine völlige Einflußlosigkeit und müssen tatenlos mit ansehen, wie unfähige Unternehmensgründer ihr Geld verbrennen. Im Glückspiel sind die Erfolgsaussichten höher!

    Nie wieder Seedmatch &Co.!!!

    Freundliche Grüße

    Antworten
    1. Ines Becker
      5. Mai 2017

      Hallo Rainer,
      schade, dass Sie mit Crowdinvesting keine guten Erfahrungen gemacht haben.
      15 Monate sind im gesamten Investmentzeitraum eine sehr kurze Spanne und auch ein sehr kurzer Zeitraum für die Startups, sich entsprechend zu entwickeln und eine profitable Rendite für die Investoren zu erwirtschaften.
      Wir wünschen Ihnen, dass in den kommenden Monaten und Jahren sich Ihre Investments doch noch zum Positiven entwickeln und den einen oder anderen Ausfall gut kompensieren können. Weitere Hinweise und Tipps für eine gute Portfolio-Strategie finden Sie in unserem Blog: https://blog.seedmatch.de/themenreihe-portfoliostrategie/
      Herzlichst,
      Ines Becker

      Antworten
  2. Hellfire
    5. Mai 2017

    Hallo Rainer
    Ich kann nachvollziehen, dass es frustrierend ist. Habe 10; 7 sind tot, 1 im Koma und 2 laufen. Habe auch Erfahrungen mit notorischen „Nichtskönnern“ gemacht. Man muss mit all diesen Dingen leben und nur das Geld investieren, das einen nicht schmerzt. Die „Verkaufsprospekte“ (nicht nur bei Seedmatch – sondern bei allen Anbietern) beinhalten nun mal sehr viel Prosa und Wunschdenken. Dieses Wunschdenken trifft auf viele Variablen und – oh Wunder – die Realität. Es hilft nichts. Die Quote liegt statistisch stets gleich – von 10 gehen 9 Pleite. Nur ist es halt immer die Frage, welche davon. Und warum man nicht den oder die Stürmer gewählt hat. Ich werde Crowdinvesting nicht verteufeln, obwohl ich leider auch viel Geld verloren habe. Es ist stets eine Chance, keine Garantie. Das war mir von Anfang an klar.
    Beste Grüsse

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  3. Peter
    21. April 2018

    Als kleine Ergänzung:
    Die Meinung hat sich wohl geändert.
    Seedmatch, ihr müsst an euch arbeiten. Und nicht die Investoren komplett im Regen stehen lassen.

    Antworten
    1. Ines Becker
      23. April 2018

      Hallo Peter,
      vielen Dank für deinen Hinweis. Natürlich wollen wir keinen unserer Investoren im Regen stehen lassen und erweitern stetig unser Angebot, um unsere Investoren einen besseren Service anbieten zu können.
      Dass sich Ricos positiven Erfahrung aufgrund der neuen Pluralität des Marktes umgekehrt haben, ist wirklich schade.
      Sich als Investor aus der Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten für eine Kapitalanlage zu entscheiden, ist in der Tat keine einfache Aufgabe.
      Aber es liegt auch in der Natur der freien Wirtschaft, dass jede Plattform ihre eigenen Prozesse und Alleinstellungsmerkmale herausarbeitet, um sich vom Wettbewerber abzusetzen. So bietet ja auch jede Bank ganz eigene Angebote und Services an, unter denen ich als Kunde wählen und das genau für mich geeignete Produkt auswählen kann. Diese Wahlmöglichkeit hätte ich bei einem Monopol nicht mehr.
      Herzlichst,
      Ines Becker

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  4. Joachim
    13. März 2020

    Hallo, bei allem nötigen Risikobewusstsein: Ein Totalausfall, ein Untoter … muss man mit leben. Aber das I-Tüpfelchen: Einseitige Kündigung des einzigen Erfolgsprojektes mit insgesamt 1%! für ein Hochrisikoengagement nach 7! Jahren Laufzeit kurz vor erreichen der Gewinnschwelle. Ein Hohn, schaler Beigeschmack inbegriffen ….

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    1. Kirsten Petzold
      16. März 2020

      Hallo Joachim,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Es tut uns leid zu hören, dass deine Erfahrungen beim Crowdinvesting leider nicht deinen Erwartungen entsprachen. Es gibt bei Seedmatch auch zahlreiche sehr erfolgreiche Projekte, siehe etwa die Exits von XLETIX 2018, erdbär 2019 sowie die Kündigung der Verträge bei Seeding Alliance mit einem 16-fachen Multiple für die Investoren ebenfalls 2019. Auch zahlreiche andere Unternehmen entwickeln sich sehr gut und zahlen ihren Investoren z. B. gewinnabhängige Bonuszinsen aus.

      Für den Erfolg beim Crowdinvesting ist es entscheidend, sein Geld möglichst breit zu streuen und lieber kleine Summen in eine Vielzahl an Projekten zu investieren, statt nur auf wenige „Pferde“ zu setzen. Dann sind einer wissenschaftlichen Studie von Seedmatch und der Uni Oldenburg Renditen von durchschnittlich 15 % p. a. realistisch.

      Wir hoffen sehr, dass du Crowdinvesting weiterhin eine Chance gibst und mit einem ausreichend diversifizierten Portfolio attraktive Renditen erzielen kannst.

      Viele Grüße,
      Kirsten

      Antworten

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