Steuer-ABC für Investoren: Kapitalerträge und deren Versteuerung bei Crowdinvesting-Emittenten aus Österreich oder der Schweiz

Gastbeitrag von Steuerberater Dr. Rainer Schenk

Mit diesem Beitrag möchten wir einen Überblick über die Besteuerung von Crowdinvesting-Kapitalerträgen geben, die von Emittenten mit Sitz in der Schweiz oder Österreich stammen und an Investoren, die in Deutschland ansässig sind, gezahlt werden. Leider ist auch im internationalen Steuerrecht diese Steuerthematik recht komplex und keineswegs für den steuerlichen Laien immer nachvollziehbar. Aus diesem Grund versuchen wir, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Emittent sitzt in Österreich

Hat der Emittent einer Crowdinvesting-Vermögensanlage seinen Sitz in Österreich und zahlt dieser Zinsen an seine Investoren aus, ist es unerheblich, ob der Investor in Österreich oder in Deutschland ansässig ist. Das österreichische Steuerrecht verpflichtet Emittenten mit Sitz in Österreich (statutarischer Sitz) nicht, bei der Auszahlung der Zinsen an die Investoren Kapitalertragsteuer einzubehalten. Insofern kennt das Steuersystem in Österreich nicht die in Deutschland geltende Regelung zur Abgeltungssteuer und der damit auch zusammenhängenden Kapitalertragsteuer-Abzugsverpflichtung für spezielle Kapitalerträge, insbesondere aus Darlehensbeziehungen analog zum in Deutschland geltenden Vermögensanlagengesetz.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland regelt ansonsten, dass hinsichtlich solcher Kapitalerträge (Zinsen) das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Investors zusteht. Handelt sich also um in Deutschland ansässige Investoren, die von den Zinsen betroffen sind, hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht. Da es zu keinem Einbehalt von Steuern an der Quelle (Österreich) kommt, muss der Investor seine Zinsen lediglich im Rahmen der Einkommensteuererklärung deklarieren, sofern er zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Institutionelle Investoren sind generell verpflichtet, eine Gewinnermittlung nebst betrieblicher Steuererklärung beim zuständigen deutschen Finanzamt einzureichen. Dem privaten Investor steht natürlich der bekannte Sparerfreibetrag (derzeit 801 Euro) zur Verfügung. Sofern seine Kapitalerträge diesen Sparerfreibetrag innerhalb eines Kalenderjahres nicht überschreiten, bleiben diese steuerfrei.

Emittent sitzt in der Schweiz

Sitzt der Emittent in der Schweiz, gestaltet sich die Sache steuerlich doch recht kompliziert. Der Crowdinvesting-Emittent ist typischerweise keine Schweizer Bank, sondern in der Regel ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit statutarischem Sitz in der Schweiz. In diesem Fall kommt nicht die Regelung bezüglich der “Schweizer Quellensteuer“, sondern der sogenannten „Schweizer Verrechnungssteuer“ zur Anwendung. In vielen Beiträgen, die man im Internet liest, werden diese beiden Begriffe verwechselt oder gleich behandelt, was jedoch nicht korrekt ist. Das sorgt für mächtig Verwirrung unter den Emittenten und Investoren. Auch bei Crowdinvesting-Projekten in der Schweiz greift im internationalen Steuerrecht ein Doppelbesteuerungsabkommen, konkret das zwischen der Schweiz und Deutschland. Darüber hinaus sind die jeweiligen nationalen Vorschriften zu beachten.

Einbehalt der Verrechnungssteuer

Sofern der in der Schweiz ansässige Emittent insgesamt mit seinen „Emissionen“, die begrifflich nicht mit dem deutschen Vermögensanlagengesetz gleichzusetzen sind, bestimmte Schwellenwerte überschreitet (was in der Regel der Fall sein wird, aber individuell durch den Emittenten rechtlich sauber im Vorfeld einer Emission unbedingt abgeklärt werden sollte), ist dieser verpflichtet, bei Zinszahlungen an ausländische Investoren 35 % Verrechnungssteuer einzubehalten und an die Schweizer Finanzverwaltung abzuführen. Somit erhält der in Deutschland ansässige Investor, – unabhängig davon, ob es sich um einen privaten oder institutionellen Investor handelt – zunächst nur 65 % seiner Zinsen (Kapitalerträge) ausbezahlt. Da auch hier das Besteuerungsrecht für die Zinsen aus Crowdinvesting-Projekten Deutschland zusteht, ist der Investor verpflichtet, die Zinsen im Rahmen der jährlichen Steuererklärung in Deutschland zu deklarieren und – sofern es sich um einen privaten Investor handelt – der 25 %-igen Abgeltungssteuer zu unterwerfen.

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Das Problem dabei ist, dass der Investor 100 % der Zinsen in Deutschland versteuert, darauf seine Abgeltungssteuer entrichtet und zusätzlich schon in der Schweiz 35 % Verrechnungssteuer einbehalten wurden. An dieser Stelle kommt es zunächst zu einer Doppelbesteuerung. Zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung kann und sollte der Investor einen formalen Antrag auf Erstattung der in der Schweiz einbehaltenen und abgeführten Verrechnungssteuer zentral bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Bern/Schweiz stellen. Dieses Erstattungsverfahren kann jedoch nur für drei Jahre rückwirkend in Anspruch genommen werden (innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres). Auf der Website der Eidgenössischen Steuerverwaltung steht hierfür das Formular R 85 zum Download bereit (www.estv.admin.ch). Dort ist auch beschrieben, welche formalen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit man die Verrechnungssteuer aus der Schweiz erstattet bekommt. Nur dann kommt es nicht zu einer Doppelbesteuerung der Zinsen bzw. Kapitalerträge, die dem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Investor aus der Schweiz zufließen. Analog zu den Kapitalerträgen von österreichischen Emittenten steht auch hier den privaten Investoren der jährliche Sparerfreibetrag in Höhe von 801 Euro zur Verfügung. Natürlich müssen auch die Kapitalerträge aus der Schweiz in der Steuererklärung für das deutsche Finanzamt des Investors berücksichtigt werden. Für in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige gilt nämlich das “Welteinkommensprinzip”.

Steuerbescheinigungen und Freistellungsaufträge

Die Investoren erhalten bei Kapitalerträgen aus Österreich oder der Schweiz von den Emittenten nicht die übliche allseits bekannte Steuerbescheinigung. Diese gilt nur für Kapitalerträge aus einer inländischen (deutschen) Einkommensquelle. Die Emittenten sind jedoch angehalten, eine für das jeweilige Land vorgegebene spezielle Zinsbestätigung zu erstellen und dem Investor zu übermitteln.
Wichtig ist für die Investoren auch, dass es nicht möglich ist, für ihre Crowdinvestments in Österreich oder der Schweiz Freistellungsaufträge zu erteilen. Ebenso ist es nicht möglich, Nichtveranlagungsbescheinigungen zu verwenden. Beides ist nur für inländische Kapitalerträge zulässig.

Autor dieses Beitrags
Diplom-Kaufmann Univ. Dr. Rainer Schenk (Steuerberater)
STEUERRAT AG Steuerberatungsgesellschaft, Heidenheim/BW
www.steuerrat.ag

Steuerberater Dr. Schenk unterstützt mit seinem Expertenteam (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte) und insgesamt rund 50 Mitarbeitern europaweit bis zu 300 Crowdinvesting-Emittenten beim komplexen steuerlichen Workflow und hat hierfür eine eigene skalierbare, automatisierte Spezial-Softwarelösung (InvestorTax) entwickelt und im Einsatz. Mit dieser ist es möglich, die komplexen technischen und fachlichen Anforderungen des Crowdinvestings zu erfüllen.

Hinweis: Grundsätzlich soll dieser Steuerleitfaden für jeden Anleger (Crowdinvestor) und für jeden Emittenten zur Orientierung dienen. Bei den vorstehenden Erläuterungen handelt es sich nicht um eine Steuerberatung. Naturgemäß kann für die Inhalte des Beitrags keine rechtliche Gewähr gegeben werden.

2 Comments

  1. Mike Schamotzki
    26. November 2019

    Hallo Frau Petzold,
    von schweizer Aktieneinkünften bin ich es gewohnt sogenannte Tax-Voucher ausgestellt zu bekommen um bei den schweizer Finanzbehörden die Steuer erstattet zu bekommen. Gibt es diese Tax-Voucher auch im Crowd-Funding? Ich habe den bei Sow-Flow schon mehrmals angefordert aber keinerlei Antwort erhalten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Mike Schamotzki

    Antworten
    1. Kirsten Petzold
      27. November 2019

      Hallo Herr Schamotzki,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Unter diesem Link: https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/verrechnungssteuer/verrechnungssteuer/dienstleistungen/ausland.html finden Sie das Formular „85 – Deutschland“, das Personen mit Wohnsitz im Ausland bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung einreichen können, um die Rückerstattung der Schweizer Verrechnungssteuer zu beantragen.

      Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit weiterhelfen. Falls Sie weitere Infos benötigen oder Fragen haben, wenden Sie sich auch gern direkt per E-Mail an invest@seedmatch.de an uns.

      Mit freundlichen Grüßen
      Kirsten Petzold

      Antworten

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