Schmerz lass nach! – Diese Startups haben etwas gegen Rückenschmerzen

Wer kennt das nicht? Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag, den man in angespannter Haltung am Schreibtisch verbracht hat – den guten Rat, ab und zu aufzustehen, hat man vor lauter Stress natürlich nicht beherzigt –, windet man sich aus seinem Schreibtischstuhl, reckt und streckt sich ein wenig … und stellt fest, dass sich der gesamte Schulter- und Nackenbereich vollkommen verspannt und regelrecht „eingerostet“ anfühlt. Wie so oft fällt uns erst dann, wenn der Rückenschmerz schon da ist, ein, dass wir uns doch eigentlich viel mehr bewegen, uns endlich zum Rückengymnastik-Kurs anmelden oder den Chef um einen höhenverstellbaren Schreibtisch bitten wollten …

So wie in unserem Beispiel geht es zahlreichen Deutschen regelmäßig. Umfragen zufolge klagten hierzulande innerhalb des letzten Jahres 83 Prozent der Befragten mindestens einmal über Rückenschmerzen – jeder Dritte litt sogar häufig oder ständig unter Verspannungen in Schultern, Kreuz und Co. Nicht umsonst werden Rückenschmerzen als „Volksleiden Nr. 1“ bezeichnet, was sich auch in den Hauptursachen für Fehltage niederschlägt. Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens sind Auslöser für ein Viertel aller Krankheitstage von Arbeitnehmern – im Durchschnitt dauert eine solche Arbeitsunfähigkeit 13,5 Tage, also deutlich länger als das Auskurieren einer Erkältung.

13,5 Milliarden Euro werden pro Jahr in Schmerzbehandlungen investiert

Bei bis zu 15 Prozent der Betroffenen verschwinden die Schmerzen gar nicht – sie leiden unter chronischen Rückenschmerzen, d. h. ihr Schmerz hat sich verselbstständigt und existiert häufig unabhängig von der ursprünglichen Schmerzursache weiter. Für diese Menschen sind ihre ständigen oder häufig wiederkehrenden Schmerzen eine große körperliche und psychische Belastung, die ernsthafte Konsequenzen wie Berufsunfähigkeit, soziale Isolation, Schmerzmittelsucht, Depressionen oder sogar Suizidversuche nach sich ziehen kann. Kein Wunder also, dass von chronischen Schmerzen betroffene Menschen – ebenso wie viele andere Rückenschmerz-Patienten – keine Kosten und Mühen scheuen, um – hoffentlich – von ihren Schmerzen befreit zu werden. Europaweit betragen die durch chronische Schmerzen verursachten direkten und indirekten Gesundheitskosten bis zu 441 Milliarden Euro pro Jahr – ein gewaltiger Markt, der in Hinblick auf den demografischen Wandel weiter wachsen wird. So ist es nur folgerichtig, dass auch Startups ihn für sich entdeckt haben und Lösungen anbieten, die von der Prophylaxe bis hin zur Behandlung chronischer Schmerzen reichen.

Schon bevor dauerhafte Rückenschmerzen entstehen, setzt das Konzept von 8sense an. Einem „achten Sinn“ gleich erfasst der an der Kleidung getragene Sensor-Clip unsere Bewegungen und unser Sitzverhalten und schlägt über Vibrationen Alarm, wenn wir zu lange oder in schlechter Haltung sitzen. Über die begleitende App gibt es Erinnerungen daran, aktiv zu sitzen und sich zwischendurch häufiger zu bewegen – inklusive optimal auf unsere Bedürfnisse und Bewegungsmuster abgestimmter Ausgleichsübungen. Ziel des Startups ist es, eine gleichmäßige Muskelbelastung und gesunde Körperhaltung zu fördern und die negativen Auswirkungen des Sitzens – neben Rückenschmerzen sind das u. a. auch ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechselerkrankungen – auszugleichen. Idealerweise hat man damit so gut vorgesorgt, dass es gar nicht erst zum gefürchteten „Zwicken“ im Rücken kommt …

E-Health: Digitalisierung der Schmerztherapie

… ist das Kind jedoch einmal in den Brunnen gefallen und die Schmerzen kommen sogar regelmäßig über einen längeren Zeitraum wieder, führt oft kein Weg an einer sogenannten multimodalen Schmerztherapie vorbei. Das bedeutet, dass mehrere Behandlungsmethoden – z. B. Physiotherapie, Schmerzmitteleinnahme sowie edukative und psychologische Maßnahmen – kombiniert werden, um die Schmerzursachen ganzheitlich zu behandeln. Den Ansatz, diese aufwändige Therapie zu digitalisieren, verfolgt das Startup Kaia Health mit seiner App. Nachdem die Nutzer einen Fragebogen zu ihrem persönlichen Schmerzempfinden beantwortet haben, erhalten sie individuell für sie zusammengestellte physische Übungen, deren korrekte Durchführung über die App kontrolliert wird. Dabei erkennt eine künstliche Intelligenz die Bewegungen der Patienten, schlägt bei falschen Bewegungsmustern Alarm und zeigt Korrekturen an. Ergänzt wird dieser Bewegungspart durch Entspannungsübungen sowie wissenswerte Informationen rund um die Entstehung und Behandlung von Rückenschmerzen, mithilfe derer die Nutzer ihre täglichen Gewohnheiten hinterfragen und verändern können.

Die multimodale Schmerztherapie gilt derzeit als Standard bei der Behandlung chronischer Rückenschmerzen – und doch fehlt bei ihr nach Ansicht des HealthTech-Startups Bomedus ein zentraler Therapiebaustein. Wenn Schmerzen über einen längeren Zeitraum anhalten, bildet sich ein sogenanntes Schmerzgedächtnis heraus, der Körper „lernt“ also, Schmerzen zu haben, so dass diese Impulse bevorzugt über die Nervenbahnen des Rückenmarks zum Gehirn weitergeleitet werden – auch, wenn die eigentliche Ursache der Schmerzen gar nicht mehr besteht. Um dieses Schmerzgedächtnis zu „löschen“, hat Bomedus die Small Fiber Matrix Stimulation (SFMS) entwickelt, eine niederfrequente Elektrostimulation der Nervenzellen, die der unkontrollierten Überaktivität entgegenwirkt und die Neuronen Stück für Stück wieder normalisiert. Die patentierte Technologie ist in Gürteln verbaut, die es mittlerweile neben der Rückenvariante auch für andere Körperteile wie z. B. Knie oder Ellenbogen gibt und die täglich 10 bis 20 Minuten lang angewandt werden. So konnte das Startup eigenen Angaben zufolge bereits über 2.000 Patienten helfen und eine Schmerzreduktion um bis zu 70 Prozent innerhalb weniger Wochen erzielen.

Doch so erfreulich die innovativen Ansätze der Startups zur Therapie unseres häufigsten Leidens auch sind: Besser wäre es, wenn wir alle unsere Rückengesundheit stärker im Blick behalten und regelmäßig etwas tun würden, bevor es wieder im Kreuz „zwickt und zwackt“. Und wen jetzt – ebenso wie die Autorin dieses Beitrags – das schlechte Gewissen plagt, der tut es ihr am besten gleich und rollt mal wieder die Yoga-Matte aus oder bestellt endlich den höhenverstellbaren Schreibtisch …

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