Mit gutem Gewissen genießen: Fairtrade- vs. Direct-Trade-Kaffee

Wer kennt ihn nicht, diesen unverwechselbaren Duft, der Cafés, Büros und heimische Küchen auf der ganzen Welt erfüllt, wenn Kaffee frisch aufgebrüht wird? Als eines der weltweit beliebtesten Heißgetränke mit einem Marktvolumen von rund 372 Millionen Euro im Jahr 2022 ist Kaffee auch in Deutschland unangefochtener Dauerbrenner. Ob schwarz, mit Milch oder Zucker – im Schnitt trinken wir hierzulande 450 Tassen pro Jahr und liegen damit europaweit u. a. hinter Luxemburg mit 925 Tassen sowie den Niederlanden und Finnland mit jeweils 683 Tassen. Allein in unserem Büro wurden in den letzten zehn Jahren ca. 5.940 Liter Kaffee getrunken. 

Dabei wird der meiste Umsatz weltweit immer noch mit “Außer-Haus-Kaffee” erzielt. Das betraf in Deutschland 2020 laut einer Schätzung des Statista Consumer Market Outlook stolze 70 Prozent des Gesamtumsatzes. Die Pandemie hat aber auch unsere heimischen Kaffeemaschinen zum Glühen gebracht. Inzwischen besitzt fast jeder dritte Haushalt einen Kaffeevollautomaten, um auch im Home Office in den Genuss eines aus ganzen Bohnen zubereiteten Kaffees zu kommen.  

Das schwarze, koffeinhaltige Heißgetränk ist so beliebt, dass es mittlerweile sogar einen eigenen inoffiziellen Feiertag hat: Seit 2006 findet der vom Deutschen Kaffeeverband ausgerichtete Tag am 1. Oktober jeden Jahres statt. Mithilfe verschiedener Events wird Kaffeeliebhabern und -interessierten die Vielfalt des Wachmachers nähergebracht. 

Aber wie kommt der Kaffee eigentlich zu uns? Welche Standards muss er erfüllen und was ist der Unterschied zwischen Fairtrade- und Direct-Trade-Kaffee?

Kooperativen, Kaffeebörsen und Importeure – Wie der Kaffee nach Deutschland kommt

Bevor wir eine schöne Tasse Kaffee genießen können, hat der heiße Trinkgenuss bereits einen langen Weg hinter sich gebracht – sowohl geografisch als auch logistisch und steuerrechtlich. Kaffee wächst vor allem im zwischen 5.300 und 6.100 km entfernten Äquatorgürtel, der u. a. Kenia, Brasilien und Indonesien durchläuft. 80 Prozent des Kaffees weltweit gehen per Schiff in die jeweiligen Importländer, was beispielsweise aus Südamerika nach Europa ca. zwei bis drei Wochen dauert. Hochwertiger Kaffee wird in Säcken aus gewebten Naturmaterialien wie Jute oder Sisal verschifft. Diese erlauben – zusätzlich zu den Lüftungslöchern in den Containern – eine gewisse Luftzirkulation, um die empfindliche und auf dem Seetransport Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzte Ware sicher und qualitativ hochwertig ans Ziel zu bringen. 

Von den kleinen Kaffeebauern gelangt der Kaffee zunächst zu Kooperativen, wo er weiterverarbeitet wird. Anschließend wird er von unabhängigen Exporteuren aufgekauft, verschifft und an den großen Kaffeebörsen in London und Paris gehandelt. Dort übernehmen dann unabhängige Importeure die Ware. Mittelgroße Plantagen arbeiten nach der Ernte mit Händlern zusammen, die sich um die Weiterverarbeitung durch private oder staatliche Aufbereiter kümmern. Auch hier gelangt die Ware dann z. B. über Agenten an die Kaffeebörsen und von dort an die Importeure. Bei großen Kaffeeplantagen kümmern sich u. a. staatliche Organisationen nach der Ernte um alle weiteren Schritte. 

Fairtrade – Nachhaltiger Konsum geht uns alle an

Bauern und Bäuerinnen sowie Arbeiter und Arbeiterinnen weltweit sorgen für gut gefüllte Regale in unseren  Supermärkten. Etwa 20 bis 25 Millionen Menschen in den Anbauländern verdanken ihren Arbeitsplatz dem Kaffee. Die Kleinbauernfamilien besitzen oft weniger als 10 Hektar Land, leben von weniger als 2 Dollar pro Tag und müssen sich tagein, tagaus unterschiedlichen Problemen stellen. Fairtrade leistet einen bedeutenden Entwicklungsbeitrag und hilft derzeit rund 1,7 Millionen Bauern und Bäuerinnen sowie Arbeitenden auf Plantagen aus 72 Anbauländern dabei, aus diesem Kreislauf auszusteigen, um in eine selbstbestimmte Zukunft zu blicken. Wie funktioniert das? 

Die Bauern und Bäuerinnen schließen sich in demokratischen Organisationen, sogenannten Kooperativen, zusammen. So können ihre Interessen auf dem Markt einerseits besser vertreten und andererseits über z. B. gemeinsame Fortbildungen und Anschaffungen Ernteerträge erhöht und eine stabilere Lohnsituation erreicht werden. Um dies zu gewährleisten, wurden Standards nach sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien definiert: Neben u. a. geregelten Arbeitsbedingungen und einem Verbot von Kinderarbeit sollen natürliche Ressourcen und ein umweltschonender Anbau gefördert werden. Darüber hinaus ist aus ökonomischer Sicht die Bezahlung eines Fairtrade-Mindestpreises und einer Fairtrade-Prämie an die Produzenten gesichert. Der Fairtrade-Mindestpreis dient bei schwankenden Weltmarktpreisen als Sicherheitsnetz, wohingegen die Fairtrade-Prämie Investitionen in soziale Projekte und produktivitätssteigernde Maßnahmen ermöglicht. 

Eine Fairtrade-Zertifizierung erhalten nur jene Produkte, die zu 100 % nach Fairtrade-Bedingungen gehandelt werden und physisch rückverfolgbar sind. Das bedeutet beim Kaffee, dass einzelne Kaffeebohnen in jeder Phase der Produktion von “Nicht-Fairtrade”-Kaffeebohnen getrennt weiterverarbeitet werden und die gesamte Lieferkette einer ständigen Kontrolle unterliegt. Die in Deutschland am häufigsten verwendete Kennzeichnung von Fairtrade-Produkten ist das Siegel der Organisation Fairtrade International.

Mit einem Volumen von 492 Millionen Euro ist Kaffee aktuell der größte Umsatzbringer im Fairtrade-Handel. Erfreulicherweise steigt der Absatz von Fairtrade-Kaffee hierzulande weiterhin beständig und hat sich seit 1999 mehr als verdreifacht. 2020 wurden 24.000 Tonnen fairer Röstkaffee in Deutschland verkauft.

Selbst-FAIR-ständlich Direct Trade – Der Unterschied macht’s

Das Konzept Fairtrade geriet in den letzten Jahren aber auch zunehmend in die Kritik: Oftmals ist es schwierig, mit den angebotenen Preisen die hohen Qualitätsanforderungen an das Produkt umzusetzen, für die hohen Mitgliedsbeiträge aufzukommen und als Kaffeebauer oder -bäuerin auch tatsächlich von der eigenen Arbeit leben zu können. Diejenigen, die biologisch und nachhaltig produzieren, können sich die Zertifizierungskosten für den Erwerb des Gütesiegels nicht immer leisten. Gewinner dieser vom Grundgedanken her tollen Idee sind dann nicht etwa die Kaffeebauern und Kaffeepflücker, sondern die Einzelhändler, für die prozentuale Margen maßgeblich sind.

In den letzten Jahren hat sich – bislang nur in Bezug auf den Kaffeeanbau – eine weitere Alternative etabliert, die eine Stärkung der Produzenten verspricht: Direct Trade oder direkter Handel, also der unmittelbare Handel mit den einzelnen Landwirten. Das bedeutet, dass der Kaffee direkt vom Kaffeebauern gekauft wird – ohne Umwege oder zusätzliche kostenintensive Zwischenhändler. Der Schwerpunkt dieser Handelsinitiativen liegt in der Entwicklung und Zusammenarbeit mit unabhängigen Kleinbauern und Kooperativen direkt vor Ort. Für spezielle Kaffeesorten mit hervorragender Qualität bekommen Kaffeebauern im Rahmen des direkten Handels sogar einen weitaus höheren Preis als marktüblich. Ausgehandelt wird der Preis häufig direkt mit den Produzenten. Kaffeeröster wenden sich also an die ortsansässigen Farmer, besuchen die dortigen Plantagen und können sich so direkt ein Bild bezüglich der Qualität machen. Wenn diese dem gewünschten hohen Niveau entspricht, gehen die Kaffeeröster eine direkte Partnerschaft mit den Kaffeebauern ein. So können ein direkter Kontakt mit den Farmern und eine außergewöhnliche Qualität gewährleistet werden.

Im Gegensatz zur Fairtrade-Zertifizierung ist Direct Trade für die Landwirte kostenlos und ermöglicht damit nicht nur einen höheren Kaffeepreis als in einer Fairtrade-Lieferkette, sondern auch ein sicheres Einkommen über einen längeren Zeitraum hinweg. Durch langfristige Beziehungen zu den Kaffeebauern, die den Handel für alle Seiten sowohl einfacher als auch profitabler machen, sind weitere Investitionen, Preisvereinbarungen sowie der Austausch von Erfahrungen möglich. Mithilfe dieser Dynamik können Landwirte ihre Forderungen im Rahmen der Handelsbeziehungen leichter umsetzen.

Auch, wenn Direct Trade kein eingetragenes Gütesiegel ist, sondern eher eine strenge Selbstverpflichtung, profitieren alle Parteien gleichermaßen: die Kaffeeröster, die Kaffeebauern und -bäuerinnen und mit hochwertigem Kaffee zu erschwinglichen Preisen selbstverständlich auch wir als Konsumierende.

1 Comment

  1. Mert Müller
    11. Februar 2024

    Ein sehr schöner Kaffee. Ich trinke gerne Toraldo Kaffee. Allerdings ist mir die Herstellung wichtig.

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