Milliardenmarkt im Visier: Deutschlands Startup-Szene ist auf den Hanf gekommen

Es wächst etwas heran in Deutschland – und zwar bereits auf über 4.500 Hektar, einer Fläche, die 6.300 Fußballfeldern entspricht. 575 Betriebe bauen hierzulande eine Jahrtausende alte Nutz- und Kulturpflanze an, die zwischenzeitlich jedoch in Vergessenheit geraten war: den Hanf. In der Startup-Szene liegt die robuste Pflanze seit Jahren im Trend, findige junge Unternehmen wie unser aktuelles Funding HANS Brainfood bieten die Samen pur als Nahrungsmittel oder Inhaltsstoff von Riegeln und Snacks an, experimentieren mit den Hanffasern, verkaufen CBD-Öl oder sind im Bereich Medizinprodukte aktiv. Doch welche Produktkategorien rund um den Hanf gibt es? Wie entwickelt sich der Markt? Und: Ist das alles eigentlich erlaubt? Wir geben einen Überblick.

Anbau und Verarbeitung von Nutzhanf sind völlig legal

Beginnen wir mit einem kleinen Exkurs zur Cannabis-Pflanze. Wer jetzt zusammenzuckt, dem sei gesagt, dass Cannabis schlicht und einfach der botanische Name für die Hanfpflanze ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich das Wort jedoch als Synonym für Pflanzen mit hohem THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) durchgesetzt, d. h. Pflanzen, die psychoaktive Substanzen enthalten. Längst nicht alle Hanfpflanzen können jedoch “high” machen: Man unterscheidet Nutzhanf und Rauschhanf. Zum Nutzhanf zählen in Deutschland nur Sorten, die einen THC-Gehalt von weniger als 0,2 Prozent aufweisen, und ausschließlich diese Sorten dürfen in der Bundesrepublik in der Regel angebaut werden. Allerdings längst nicht von jedem: Der Anbau ist nur Landwirten erlaubt, die Mitglied in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sind. Die Hanfkultur muss der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung angezeigt werden, die den THC-Gehalt prüft. Erst wenn sie ihre Freigabe erteilt, kann der Landwirt den Hanf ernten. Saatgut daraus gewinnen darf er hingegen nicht. Da jede weitere Generation natürlicherweise einen höheren THC-Gehalt aufweist, muss jedes Jahr neues Saatgut verwendet werden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Der Anbau von Nutzhanf ist in Deutschland zwar reglementiert, aber völlig legal. Das gilt ebenso für die Verarbeitung, den Verkauf und Konsum von Nutzhanf und Produkten, die daraus bestehen, wie z. B. Hanfsamen, -riegel oder -öle. Das ist der Bereich, in dem ein Großteil der Startups im Hanf-Business aktiv ist, so z. B. auch HANS Brainfood. Nicht legal – bis auf eine Ausnahme, auf die wir im Laufe des Beitrags noch zu sprechen kommen – ist in Deutschland hingegen aktuell der Anbau, Besitz, Kauf und Verkauf von Rauschhanf (THC).

Hanfprodukte für Ernährung, Entspannung – und zum Häuslebau

Aus Nutzhanf lassen sich im Wesentlichen drei Bestandteile gewinnen, die Basis für eine Vielzahl von Produkten sind: Hanffasern, Hanfsamen sowie CBD (Cannabidiol), eine nicht-psychoaktive Substanz aus den Hanfblüten. Hanffasern werden als Dämmmaterial beim Hausbau und in der Automobilbranche immer beliebter. Auch Textilien, Verpackungen und Papier lassen sich daraus herstellen.

Hanfsamen sind extrem nährstoffreich und somit ein richtiges regionales Superfood. Sie enthalten reichlich Proteine, B-Vitamine, Spurenelemente wie Calcium und Magnesium, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie viele Ballaststoffe. Dadurch stärken sie u. a. das Immunsystem und sind insbesondere bei Vegetariern, Veganern und Sportlern, die auf eine proteinreiche Ernährung achten, sehr beliebt. Kein Wunder also, dass die kleinen Körnchen mit der großen Wirkung mittlerweile sowohl pur verkauft als auch in viele Produkte integriert werden, u. a. in die Snack-Riegel von HANS Brainfood, aber z. B. auch in die Schokoriegel von the nu company, einem Unternehmen, das 2019 über unsere Schwesterplattform Econeers erfolgreich finanziert wurde.

Das CBD aus den Hanfblüten hat viele Eigenschaften, die sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken können. Der Wirkstoff soll u. a. Muskel- und Gelenkschmerzen lindern, entspannend wirken und beim Einschlafen helfen. Häufig ist er in Form von Kapseln oder Ölen erhältlich, so z. B. auch bei HANS Brainfood. Wie bei allen in Deutschland hergestellten Produkten aus Nutzhanf liegt der THC-Gehalt auch bei CBD-Produkten bei maximal 0,2 Prozent.

Im Bereich medizinisches Cannabis entsteht ein Milliardenmarkt

Während CBD bei weit verbreiteten Alltagsproblemen wie Anspannung, Stress und Schlafstörungen helfen kann, können auch Menschen, die unter chronischen Schmerzen und Krankheiten wie Multiple Sklerose, Krebs, HIV oder Depressionen leiden, von der Cannabis-Anwendung profitieren. Hierbei geht es jedoch nicht um CBD, sondern um medizinisches Cannabis mit einem höheren THC-Gehalt. Denn nur zu medizinischen Zwecken sowie zur Forschung dürfen in Deutschland Hanfpflanzen mit mehr als 0,2 Prozent THC-Gehalt angebaut werden. 79 Betriebe haben Lizenzen für eine erste Ernte von gut zehn Tonnen erhalten. Seit 2016 ist der medizinische Einsatz von Cannabis in Deutschland erlaubt, seit 2017 können die Kosten für Behandlungen damit von den Krankenkassen übernommen werden. Bis Ende 2018 wurden in der Bundesrepublik bereits 95.000 Rezepte dafür eingelöst – und das war erst der Anfang. Nachdem 2018 hierzulande schätzungsweise rund 50 Millionen Euro mit Medizinal-Cannabis umgesetzt wurden, soll die Summe bis 2028 auf acht Milliarden Euro steigen. In Deutschland könnten dann bereits 2,5 Millionen, europaweit mindestens 15 Millionen Menschen mit Cannabis behandelt werden.

Kommt die Liberalisierung auch hierzulande?

Ein potenziell großer Markt nimmt also Fahrt auf – und auch der deutsche Staat könnte davon profitieren: Knapp drei Milliarden Euro Steuereinnahmen und geschätzte 20.000 neue Arbeitsplätze winken. Schon jetzt bringen sich deutschlandweit Unternehmen wie z. B. Farmako von Kreditech-Gründer Sebastian Diemer und die Sanity Group von Ex-Movinga-CEO Finn Hänsel in Stellung, um mit Forschung und Entwicklung rund um medizinisches Cannabis ein großes Stück vom Kuchen abzubekommen. Unterstützt werden sie dabei bereits von prominenten Investoren wie z. B. US-Rapper und Musikproduzent Will.i.am, TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf und Fußball-Weltmeister Mario Götze. Bei aller Euphorie hierzulande dürften die Gründer und ihre Investoren jedoch aktuell noch etwas neidisch ins Ausland blicken, etwa nach Kanada. Dort wurde im Jahr 2018 Cannabis für alle Erwachsenen komplett freigegeben – völlig unabhängig von medizinischen Indikationen. Ziel war es, den Schwarzmarkthandel einzudämmen. Seitdem ist ein beispielloser Boom entstanden. In schick designten Läden werden Cannabis-Produkte verkauft, zahlreiche Unternehmen befassen sich mit Anbau, Produktion und Vertrieb und verzeichnen ein starkes Umsatz- und Mitarbeiterwachstum.

Und auch in Deutschland könnte es nach der Bundestagswahl im Herbst zu massiven Umwälzungen im Hanf-Markt kommen. FDP, Grüne und Linkspartei sprechen sich in ihren Wahlprogrammen für eine Legalisierung von Cannabis aus, da das bisherige Verbot und die Kriminalisierung von Anbau, Kauf, Verkauf und Besitz ihrer Ansicht nach mehr Schaden als Nutzen bringen. Unterstützung dafür signalisiert inzwischen auch die SPD. Und in der Union, die bisher für eine harte Linie in Bezug auf das Thema Cannabis stand, gerät ebenfalls einiges in Bewegung – schon allein mit Blick auf mögliche Koalitionsoptionen. Wir dürfen also gespannt sein, wie sich der Markt für Cannabis-Produkte hierzulande entwickeln wird.

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