Letzte Chance Digitalisierung: Wie junge Unternehmen den Einzelhandel fit für die Zukunft machen

„Corona setzt Branche zu: Einzelhandel leidet noch stärker“, „Corona-Kahlschlag wird in Städten sichtbar“, „Covid-19 beschleunigt den Wandel der deutschen Handelsbranche“ – das sind nur einige Schlagzeilen aus den letzten Monaten, die sich mit der Situation im stationären Handel befassen. Der Tenor ist einhellig: Die Geschäfte in den Fußgängerzonen und Einkaufszentren haben es in Folge der Corona-Pandemie schwer, sich gegen den übermächtigen Online-Handel zu behaupten. Gerade in kleinen und mittleren Städten müssen viele Läden aufgrund mangelnder Umsätze schließen oder finden keinen Nachfolger. Rückläufige Kundenfrequenzen bringen vor allem namhafte Modehändler wie Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit, Hallhuber und Adler ins Wanken, während der Online-Handel kontinuierlich weiter wächst. Wenn sich bereits diese Branchengrößen schwer tun, wie sollen sich dann erst die Modeboutique nebenan oder die kleine Buchhandlung um die Ecke gegen Zalando, Amazon & Co., gegen zielgruppengerechtes Marketing, personalisierte Produktempfehlungen und bis zur Perfektion optimierte Kaufprozesse durchsetzen?

Die Lösung könnte es sein, zweigleisig zu fahren. Einerseits lohnt es, sich auf die Stärken zu besinnen, die den stationären vom Online-Handel abheben – sofortige Produktverfügbarkeit, die Möglichkeit, Produkte live und in Farbe sehen, anfassen und ausprobieren zu können, sowie eine kompetente Beratung vom Experten. Andererseits kann der stationäre Handel die Erfolgsgeheimnisse des E-Commerce ein gutes Stück weit für sich erschließen – durch sinnvolle und dringend notwendige Digitalisierung. Hier besteht aktuell noch Nachholbedarf – laut dem „Digitalisierungsindex Mittelstand 2019/2020“ von Techconsult und der Deutschen Telekom erreichen Handelsunternehmen lediglich einen Indexwert von 52, während der Durchschnitt aller Branchen bei 56 von 100 möglichen Punkten liegt. Besonders alarmierend: Bei nur 39 Prozent der untersuchten Einzelhändler ist die Digitalisierung derzeit fest in der Geschäftsstrategie verankert. Wer auf die Digitalisierung setzt, kann jedoch schnell erste Früchte ernten: Unternehmen, die Daten aus unterschiedlichen Quellen verknüpfen und analysieren (Big Data), profitieren eigenen Angaben zufolge von besseren Kundenbeziehungen, effizienteren internen Prozessen sowie mehr Umsatz.

Digital statt Print: Kunden gezielt ohne Streuverluste ansprechen

Vielfach sind Einzelhändler jedoch zunächst überfordert von den Möglichkeiten der Digitalisierung und der Implementierung neuer Technologien und Prozesse im eigenen Unternehmen, während das Tagesgeschäft weiterläuft. Unterstützung durch Dienstleister mit digitaler Expertise ist daher dringend geboten. Hier finden auch Startups und junge Wachstumsunternehmen ihren Markt, etwa im Bereich der digitalen Werbung für aktuelle Angebote. Bisher setzen viele Einzelhändler immer noch auf gedruckte Prospekte aus Papier, die in die Briefkästen der Haushalte verteilt werden – angesichts steigender Druck- und Verteilkosten, großer Streuverluste sowie einer stetig steigenden Quote an Printwerbeverweigerern eine unzeitgemäße und immer weniger rentable Marketingmaßnahme. Mit Unterstützung von Unternehmen wie Bonial werden die Prospekte endlich digital und können mithilfe von Apps wie KaufDA auf dem Smartphone durchgeblättert und nach Angeboten für bestimmte Produkte durchsucht werden. Auch eine Einbindung der Prospekte auf der Webseite der Einzelhändler ist über Widgets von Bonial mit nur wenig IT-Aufwand möglich. Zudem lassen sich über die KaufDA-App standortspezifische Werbemaßnahmen realisieren – Nutzer können also z. B. Push-Benachrichtigungen mit Angeboten oder besonderen Aktionen eines bestimmten Einzelhändlers auf ihr Smartphone erhalten, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe einer seiner Filialen befinden.

Einen weiteren starken Hebel für die Steigerung von Kundenfrequenz und Abverkäufen bieten die in Deutschland so beliebten Rabatt- und Kundenkarten (z. B. Payback, Deutschlandcard, Ikea Family). Die App Stocard ermöglicht es ihren Nutzern, alle ihre Kundenkarten zu der als Mobile Wallet konzipierten Anwendung hinzuzufügen und so bequemer einzukaufen, ohne dass das Portemonnaie mit unzähligen Karten überquillt. Die Vorteile für Händler: Sie können neue Mitglieder für ihr Kundenkartenprogramm gewinnen, Angebote gezielt ausspielen und dank der über die Stocard-App gewonnen Standortdaten sowie dem Einsatz der Kundenkarten im Geschäft sogar Filialbesuche und Käufe messen und eindeutig ihren Marketingkampagnen zuordnen. Dieser große Zugewinn an relevanten Daten eröffnet den Einzelhändlern Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Werbemaßnahmen, wie sie einst nur der E-Commerce kannte. Diesen großen Nutzen für den stationären Handel konnte Stocard inzwischen versilbern: Dem Unternehmen gelang kürzlich ein Exit mit einem Erlös von 110 Millionen Euro.

Wer den Datenschatz hebt, wird belohnt

Über umfangreiche Informationen zur Performance der eigenen Marketingkampagnen zu verfügen, ist ein Schritt in Richtung Big Data – doch Einzelhändler können über zahlreiche weitere Datenpunkte relevante Informationen für die Verbesserung ihrer Prozesse und die Steigerung des Abverkaufs gewinnen. Hier setzt das 2018 erfolgreich über Seedmatch finanzierte Unternehmen Pyramics an, das stationären Händlern dabei hilft, ihre Kunden noch besser kennenzulernen, und dem inzwischen ebenfalls ein Exit gelang. Das Startup hat einen intelligenten optischen Sensor entwickelt, der anonymisiert und datenschutzkonform Informationen über das Verhalten von Kunden liefert. Je nach Platzierung der Sensoren lässt sich beispielsweise messen, wie viele Kunden den Store betreten und wie lange sie Werbeflächen oder bestimmte Auslagen in der Filiale betrachten. Der Sensor konzentriert sich jedoch nicht nur auf das reine Zählen der Kunden sowie die Ermittlung von Betrachtungsdauern, sondern liefert auch Informationen zu soziodemografischen Faktoren oder zu den Reaktionen auf Werbeflächen, Shopgestaltung etc. Dazu werden Gesichter erfasst und mittels eines selbstlernenden Algorithmus mit hoher Treffsicherheit Alter, Geschlecht und Mimik bestimmt. Damit steht dem Einzelhändler ein großer und wertvoller Datenpool zur Verfügung, mit dessen Hilfe sich die Shop-Gestaltung, Werbemaßnahmen in oder im Umfeld der Filiale sowie interne Prozesse an die Bedürfnisse und Interessen der Kunden anpassen lassen.

Gerüstet mit einem solchen Datenschatz sowie mit starken Partnern an der Seite, die Händlern zielgerichtete Reichweite für ihre Marketingkampagnen bieten, kann sich der stationäre Handel modernisieren, Kunden besser erreichen und ihnen ein optimiertes Kauferlebnis bieten. Damit sind Händler gut dafür gerüstet, auch in den schwierigen Corona-Zeiten Besucher in die Geschäfte zu locken, ihre Umsätze zu steigern und sich gegenüber dem mächtigen E-Commerce zu behaupten.

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