Hilfe, ich bin ein Geschäftskunde – wenn der Sonderstatus zur Last wird

Der Kunde ist König – heißt es immer wieder. Dass die Realität ganz anders aussieht, bestätigen 92 Prozent aller Endkunden. Als Geschäftskunde bzw. Großkunde genießt man dagegen oftmals Kaiserprivilegien. Große Unternehmen mit B2B- und B2C-Kunden haben ganze Vertriebsabteilungen mit Key Accountern geschaffen, die sich in einer 1-zu-1-Betreuung den individuellen Bedürfnissen ihrer Groß-Abnehmer widmen. In langen Telefonaten und Vor-Ort-Terminen werden maßgeschneiderte Angebote gezimmert, Sonderkonditionen verhandelt und Servicepakete geschnürt. Alles natürlich höchst exklusiv und zu einmalig guten Konditionen. Aber stimmt das wirklich? Und möchte der Kunde überhaupt die auch für ihn sehr zeitintensive Exklusivität? Vor lauter Übereifer vergaß man, genau das zu fragen. Ein Fehler, wie sich herausstellt.

Geschäftskunden sind auch Kunden. Das klingt erst einmal banal – ist es aber leider nicht. Denn während man auch nach 17 Uhr als privater Kunde von der Couch aus auf Marktplätzen Preise vergleicht, Bestellungen aufgibt, und hoffentlich dank unserem Startup smoope bald flächendeckend den guten Kundenservice via App in der Hosentasche immer mit „am Mann“ hat, scheint das Thema Digitalisierung und Transparenz im B2B-Segment noch nicht wirklich angekommen sein: hinterlassene Rückrufbitten beim Key Accounter, schlechte Vergleichbarkeit, stundenlange Verhandlungen und Außentermine, endlose E-Mailschleifen, mehrjährige Abnahmeverträge ohne Flexibilität, die regelmäßigen Crosssellinganrufe u. v. m.
Premiumkunde zu sein, muss man sich zeitlich leisten können. Das ist vielleicht noch mit viel Fantasie vertretbar, wenn diese Einkäufe direkt auf das Kerngeschäft einwirken, zum Beispiel wenn der Großbäcker mit dem Müller handelt.
Aber besonders ärgerlich ist es dann, wenn diese Zeit nicht direkt auf die eigenen Umsätze einzahlt und wichtige Ressourcen bindet. Das gilt beispielsweise für Verträge im Bereich Strom, Versicherungen, Büro- oder Werksaustattungen, Fuhrpark u. v. m.

Was der Beschaffer will, fürchtet der Vertriebler

Im November 2017 wurden die B2B-Vertriebler 500 deutscher Unternehmen gefragt, welchem Vertriebsweg sie die größte Bedeutung beimessen. 80 Prozent gaben dabei an, dass der klassische Außendienst wichtig bis sehr wichtig für ihre Kundenakquise und Kundenpflege sei – das heißt, der persönliche Kontakt vor Ort gehört für den Geschäftskundenvertrieb weiterhin zu den größten Pfeilern seines Geschäftes.
Bereits zwei Jahre zuvor machte man sich die Mühe, Beschaffer nach ihrem favorisierten Informations- und Einkaufsweg zu befragen. Wie die privaten Endkunden auch schätzen über 91 Prozent der Einkäufer die Bequemlichkeiten der Digitalisierung und maßen dem Internet die größte Relevanz für ihren Arbeitsalltag zu. Besonders beliebt sind Marktplätze – sofern in der jeweiligen Branche schon vorhanden. Passende Produkte können schnell identifiziert und Preise transparent verglichen werden. Das spart Zeit und bietet wichtige Orientierungshilfe (Quellen Statista). Anspruch und Realität klaffen also weit auseinander. Das spürt auch der Großvertrieb. Laut einer Studie von Roland Berger und dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) sieht er in den digitalen Plattformen die größte Gefahr für das traditionelle Geschäftsmodell (54 Prozent).

So gelingt doch die Win-Win-Situation

„Klassische Vertriebswege werden nicht verschwinden, aber an Relevanz verlieren“, fasst Dr. Georg Wittmann von ibi research die Ergebnisse seiner Studie zum B2B-Handel zusammen. Laut den Erkenntnissen seiner Experteninterviews wird bis 2022 der B2B-Ein- und -Verkauf verstärkt über Online-Shops und Marktplätze abgewickelt. Einkäufer schätzen insbesondere die Transparenz bei den Verfügbarkeiten, den technischen Zusatzinformationen, dem Preis und den Lieferzeiten. Warum sollte man auch freiwillig auf Standards verzichten, nur weil man für die Firma und nicht privat einkauft?!
Auch wenn das Thema Onlinevertrieb dem Key Accounter eine tiefe Sorgenfalte ins Gesicht schlägt – es kann dem Großkundenvertrieb viele Vorteile bringen: Seine Mitarbeiter und knappen Ressourcen werden entlastet, denn man kann sich vermehrt den wirklich beratungsintensiven Kunden widmen, die diesen 1-zu-1-Service weiterhin wünschen. Dank der stetigen Produkt-Verfügbarkeit online können auch außerhalb der eigenen Geschäfts- und Arbeitszeiten Verträge fast nebenbei abgeschlossen werden und man erreicht dadurch Kunden, die man noch nicht auf „dem Schirm“ hatte. Zudem können hohe Reisekosten sowie die Kosten für den Fuhrpark der Außendienstmitarbeiter gesenkt werden.
So gelingt doch noch für alle Beteiligten eine für die jeweiligen Bedürfnisse maßgeschneiderte Win-Win-Situation. Und Geschäftskunden genießen endlich den ebenso bequemen Service, den Privatkunden mittlerweile mit aller Kraft nachfragen und suchen. Wer also seinen B2B-Vertrieb ins 21. Jahrhundert heben will, tut gut daran, ab und an sein privates Kaufverhalten zu reflektieren und Trends im B2C-Markt genau zu verfolgen. Denn Beschaffer sind schließlich auch nur Menschen.

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