

Vor wenigen Tagen veröffentlichte Seedmatch erstmals in der Branche eine Untersuchung zur Renditeerwartung beim Crowdinvesting in Startups, die wissenschaftlichen Kriterien stand hält. Der Index entstand im Rahmen des Promotionsvorhabens von Uta Strumpel, Doktorandin an der Stiftungsprofessur Entrepreneurship des Departments für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Wir sprachen mit ihr über das Forschungsprojekt, die besonderen Herausforderungen und welches Ergebnis sie am meisten verblüfft hat.
Seedmatch: Liebe Uta, herzlich willkommen. Um was geht es bei deiner Promotionsarbeit?
Uta Strumpel: Ganz allgemein gesprochen, untersuche ich in meiner Doktorarbeit die Einflüsse der Digitalisierung auf den Prozess der Geschäftsmodellentwicklung. Das hört sich ziemlich breit gefächert an, umfasst aber im Speziellen auch den Einfluss des Crowdinvestings auf die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Die Startups präsentieren in einer Kampagne ihre Ideen, ihren Businessplan und geben ihr Geschäftskonzept zur Abstimmung: Denn die Finanzierungszusagen können ähnlich eines digitalen Votings zur Bewertung des Geschäftsmodells verstanden werden. So kann die Digitalisierung bereits einen ersten konkreten Einfluss auf das Unternehmen nehmen, aber auch nach Abschluss einer Finanzierungsrunde halten Plattformen digitale Räume für die Investoren-Kommunikation, Reportings und anderem Austausch bereit. Auch hier könnten die Rückmeldungen der Investoren Einfluss auf die Geschäftsmodellentwicklung nehmen. Ob es tatsächlich zu einer Beeinflussung durch das digitale und demokratische Crowdinvesting kommt, ist ein Forschungsaspekt meiner kumulativen Doktorarbeit.
Seedmatch: Wie kam es zu dem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Seedmatch? Warum findest du Crowdinvesting überhaupt so spannend?
Uta Strumpel: Mein Vorgänger an der Stiftungsprofessur, Hanno Kortleben, hat in seiner Promotion die Einflüsse auf die Finanzierungshöhe der Startups untersucht. Welche Faktoren nehmen beispielsweise in den Businessplänen Einfluss auf den Erfolg bei der Kapitalakquise: So haben Startups mit einer höheren Anzahl an Mitarbeitern meistens eine bessere Finanzierung bekommen. Da lag es nahe, die damals zwischen 2011 und 2014 finanzierten Startups darauf hin zu untersuchen, ob sie auch weiterhin die erfolgreicheren Unternehmen sind. Ich nutzte die Vorarbeit und Daten meines Kollegen, um wieder Kontakt mit Seedmatch und anderen Plattformen aufzunehmen und zu untersuchen, ob die damals als positiv wahrgenommenen Signale wie bspw. Teamgröße, Umsätze oder Produktbranche auch eine Vorhersage auf den Unternehmenserfolg zulassen.
An Crowdinvesting faszinieren mich die sehr individuellen Unternehmensgeschichten: Jedes Startup ist einzigartig und versucht, seinen eigenen Weg zum Erfolg zu finden. Zwar haben alle mit der Finanzierung eine ähnliche Basis, dennoch entwickeln sich die Startups sehr unterschiedlich – es gibt ein paar Überflieger, viele Gescheiterte und viele Nuancen dazwischen. Oftmals entwickeln sich auch ähnliche Unternehmen sehr unterschiedlich, das macht es besonders spannend.
Seedmatch: Was hast du genau und vor allem wie untersucht?
Uta Strumpel: Ich konnte auf die sehr umfassende Datenbank von Hanno aufbauen, in welcher über hundert Startups von mehreren Plattformen erfasst waren. Ich habe diese Datenbank um aktuelle Perfomancekennzahlen erweitert: Wo stehen die Startups heute, sind sie noch am Markt aktiv, wie viele Mitarbeiter haben sie mittlerweile, wie haben sich die Umsätze entwickelt, wie präsent sind sie in den (sozialen) Medien vertreten, bekamen sie eine Anschlussfinanzierung, welche Rendite brachten sie ihren Investoren und vieles mehr. Schlussendlich ging es darum, anhand dieser KPIs zu erfassen, wie sich die Unternehmen über die Folgejahre entwickelt haben und Unternehmenserfolg messbar zu machen.
Seedmatch: Welche Hürden mussten dafür überwunden werden?
Uta Strumpel: Eine große Herausforderung war der Zugang zu den Daten sowie eine Vergleichbarkeit dieser untereinander zu schaffen. Wie in der zweiten Frage schon dargestellt, ist jedes Unternehmen einzigartig. Diese Einzigartigkeit in konkrete Zahlen zu überführen, stellte zuweilen ein Problem dar. Darüber hinaus handelt es sich um eine longitudinale Analyse, d. h. sie untersucht die Unternehmensentwicklung über viele Jahre hinweg. Die Daten lückenlos zu recherchieren und in dieselbe Martix zu überführen, die sieben Jahre Unternehmensentwicklung genauso abbilden kann wie ein Unternehmen, dessen Finanzierung deutlich weniger Jahre zurückliegt, stellte eine weitere Herausforderung dar. Zudem kam hinzu, dass Startups teilweise in andere Unternehmen aufgegangen sind oder insolvent wurden.
Seedmatch: Bisher ist diese wissenschaftliche Untersuchung einzigartig in der Branche. Kannst du dir erklären, warum eine wissenschaftlich-neutrale Betrachtung den meisten Marktteilnehmern und Wissenschaftlern offenbar schwerfällt?
Uta Strumpel: Diese Untersuchung ist tatsächlich noch einzigartig in Deutschland. International gesehen gab es solche Analysen bereits. Da Crowdinvesting in Deutschland vergleichsweise sehr jung ist, werden Untersuchungen, die lange Zeiträume betrachten müssen, erschwert. Nach zwei Jahren am Markt ist das Schicksal der Startups oft noch offen. Junge Unternehmen benötigen einige Jahre, sich zu entwickeln. Wir haben mit der Untersuchung den frühestmöglichen Zeitpunkt gewählt, an dem so eine Analyse überhaupt sinnvoll und möglich ist.
Zudem wird die wissenschaftlich-neutrale Betrachtungsweise durch die Emotionalität im Umgang mit dem Thema erschwert. Das zeigt sich auch in der Darstellung in den Medien: Hier die nächste Pleite und verlorene Investorengelder, dort der Jubel über einen Exit. Crowdinvesting ist eine Kapitalanlage mit extrem hohem Risiko, es gehen auch sehr viele Unternehmen pleite und das Geld ist weg. Da diese Investitionsform recht neuartig ist, lässt sie sich nicht so gut wie andere Anlageprodukte voraussagen. D.h. im ersten Schritt erfolgt die Grundlagenforschung. All das zusammengenommen fördert natürlich die Verunsicherung, steigert die Emotionalität bei Positiv- oder Negativereignissen und erschwert die wissenschaftliche Untersuchung des Forschungsgegenstandes.
Seedmatch: Welche Erkenntnisse waren für dich im Rahmen des Fundingindex besonders spannend?
Uta Strumpel: Ich war überrascht, wie wenige Unternehmen mit einer guten Entwicklung Ausfälle kompensieren können: Es gibt wenige sehr profitable Crowdinvesting-Startups für die Investoren, hat man jedoch eins von diesen erwischt, reicht es meist, um einige andere Unternehmen mit keiner oder negativer Rendite auszugleichen. Das ist aber auch die Crux am Modell: Wenn ich nicht ausreichend diversifiziere und in einige der doch sehr zahlreichen Ausfälle investiere, dann ist das Geld weg. Diese Dynamik nachzuvollziehen, war für mich sehr spannend. Darüber hinaus war eine wichtige Erkenntnis, dass sich Startups nur schwer in vorgegebene Raster pressen, messen und miteinander vergleichen lassen.
Seedmatch: Nun untersuchst du im Rahmen deiner Promotion viele Crowdfunding-Modelle und -Plattformen. Welche Erkenntnisse erhoffst du dir?
Uta Strumpel: Als Wissenschaftlerin muss ich neutral bleiben. Eine bestimmte Erkenntnis zu “erhoffen” oder ein bestimmtes Modell „zu empfehlen“, wäre unwissenschaftlich. Ich darf mich aber dadurch von den Ergebnissen überraschen lassen. Das hat auch etwas für sich.
Seedmatch: Wir erhalten mittlerweile eine Vielzahl an Forschungsanfragen in unterschiedlichem Umfang – mal zu einer Bachelor-Arbeit, mal für eine Promotion. Zeigt es deiner Meinung nach, dass durch die akademische Adaption Crowdinvesting zu einem relevanten Bestandteil der Gesellschaft und für die Wirtschaft geworden ist?
Uta Strumpel: Crowdfunding und Crowdinvesting haben auf internationaler Ebene in den letzten Jahren sicherlich an Bedeutung zugenommen. In Deutschland entwickelt sich der Markt zwar kontinuierlich positiv, aber eben vergleichsweise deutlich langsamer. In Zeiten der Niedrigzinspolitik erscheint Crowdinvesting für viele Investoren als eine spannende Anlagealternative. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Erwartungen erfüllen. Crowdinvesting wird sicherlich ein spannendes Thema bleiben – es ist aber noch lange nicht vergleichbar mit der internationalen Dynamik oder Venture Capital-Finanzierungen.
Seedmatch: Ist schon absehbar, in welche Richtung sich Crowdinvesting sowohl als Finanzierungsinstrument als auch als Kapitalanlageprodukt entwickeln wird?
Uta Strumpel: Meiner Meinung nach ist die Entwicklung von Crowdinvesting in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbar.
Seedmatch: Liebe Uta, vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz beim Fundingindex und das Interview. Wir hoffen, deine Promotion bald in den Bücherregalen zu entdecken. Dafür wünschen wir dir natürlich viel Erfolg!