Crowd Award-Gewinner SUPERSEVEN: “Es ist eine Notwendigkeit, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten”

Dank erschreckender Bilder von Plastikstrudeln in den Weltmeeren und eines uns über den Kopf wachsenden Bergs an Einwegverpackungsmüll ist das Thema Nachhaltigkeit langsam, aber sicher im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft oft noch eine große Lücke: Während wir in der Theorie alle ganz klar für Müllvermeidung sind, vergessen wir oft, das dazu auch unser Coffee to go-Becher, der Strohhalm im Cocktail oder die Plastikverpackung des Supermarkt-Gemüses gehören… Dabei gibt es längst nachhaltigere Alternativen. Startups aus ganz Europa mit Geschäftsmodellen in den Bereichen Müllvermeidung, Recycling und Kreislaufwirtschaft bietet der Green Alley Award seit fünf Jahren eine Plattform, um ihre innovativen und nachhaltigen Ideen einem breiten Publikum zu präsentieren. Seedmatch, langjähriger Partner des Green Alley Awards, stiftete in diesem Jahr im Rahmen der Preisverleihung erstmals einen eigenen Preis, den Seedmatch Crowd Award. Ausgezeichnet wurde das Unternehmen SUPERSEVEN für seine kompostier- bzw. recyclebaren Verpackungslösungen. Wir sprachen mit den Gründern und Geschäftsführern Katja und Sven Seevers (Mitte und rechts, im Bild gemeinsam mit Geschäftspartner Hannes Füting) über unseren Plastikkonsum, die Etablierung einer nachhaltigen Alternative und darüber, was jeder Einzelne tun kann, um ein Stück umweltbewusster zu leben.

Seedmatch: Hallo und herzlich willkommen zum Interview! Und zunächst einmal herzlichen Glückwunsch: Ihr seid der Gewinner des Seedmatch Crowd Awards, den wir dieses Jahr erstmalig im Rahmen des Green Alley Awards verliehen haben, und habt uns mit eurem Konzept besonders überzeugt…

Sven Seevers: Vielen Dank für die Glückwünsche. Wir freuen uns sehr, dass wir euch von unserer Idee begeistern konnten. Das ist eine tolle Auszeichnung für unsere Arbeit.

Seedmatch: Mit euren nachhaltigen Verpackungslösungen nehmt ihr euch einem Problem an, das zunehmend mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfährt: Den Bergen von nicht recyclebarem Plastikmüll, der sich in der Natur und in den Weltmeeren ansammelt und eine existenzielle Bedrohung für die sensiblen Ökosysteme darstellt. Wie ernst ist die Lage?

Sven Seevers: Was wir in 70 Jahren ungebremstem Plastikkonsum geschafft haben, ist enorm. Wir haben in dieser Zeit weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert und gerade einmal 9 % davon recycelt. Die Lage ist sehr ernst.

Katja Seevers: Die Menge, die an der Meeresoberfläche zu sehen ist, sind gerade einmal 2 % der Verschmutzung. Der Rest schwebt oder sinkt ab. Dazu kommt die Anreicherung von Mikro- und Nanoplastik in den Organismen und in den Zellen.

Seedmatch: Auch wenn die Anstrengungen der Politik in den letzten Jahren spürbar nachgelassen haben, sind wir in Deutschland häufig der Meinung, dass wir doch alle schon recht viel für den Umweltschutz tun – Stichwort Mülltrennung etwa. Sind wir denn beim Thema Verpackungen und Recycling tatsächlich vorbildlich unterwegs?

Sven Seevers: Unser Vorbild ist auch in diesem Fall die Natur. Kein Lebewesen produziert Müll – außer den Menschen. Selbst die Ameisen, die in der Lebendmasse viel mehr sind als wir, produzieren keinen Abfall.

Katja Seevers: Vorbildlich ist es, die Verpackungsmaterialien nach der Nutzung zu trennen und die Wertstoffe so oft es geht wieder zu verwerten. Somit sind wir in Deutschland auf dem richtigen Weg. Recycling ist aber nur möglich, wenn die Verpackungen aus reinen, schadstofffreien Materialien gemacht sind. Gute und schlechte Verpackungen müssen eindeutig unterscheidbar sein.

Seedmatch: Eine Alternative wollt ihr mit euren nachhaltigen, kreislauffähigen Verpackungen bieten. Was ist das Besondere daran?

Sven Seevers: Das Besondere sind die Rohstoffe, aus denen unsere Verpackungen gefertigt sind. Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen ist gerade für Leichtverpackungen sinnvoll. Das schont fossile Ressourcen und senkt die CO2-Emission.

Katja Seevers: Wir setzen zudem auf die Kompostierung – den einzigen Kreislauf, der verlustfrei Wertstoffe erhält. Unsere Verpackungen aus Cellulose sind frei von Schadstoffen und kompostieren unter natürlichen Bedingungen in sehr kurzer Zeit.

Seedmatch: Aus welchen Materialien bestehen sie und wie werden diese gewonnen bzw. hergestellt?

Sven Seevers: Wir kombinieren Materialien, die gleiche Eigenschaften haben. Hauptsächlich geht es um Cellulose, Papier, Karton, PLA, Stärke, Zucker und Öl. Alles kompostierbare und natürliche Wertstoffe, die aus Resten und Abfällen gewonnen werden können.

Seedmatch: Wie seid ihr denn darauf gekommen, euch mit nachhaltigen Verpackungen zu beschäftigen? Habt ihr einen beruflichen Hintergrund in der Verpackungsindustrie?

Sven Seevers: Wir sind drei Produktdesigner und entwickeln und gestalten schon lange Verpackungen und andere Produkte, allerdings unter ganz anderen Umständen und mit weniger ökologischem Anspruch.

Katja Seevers: Wir haben einen ganzheitlichen Gestaltungsansatz, der zu den üblichen Design-Aspekten Funktion, Formgebung und Ästhetik auch die Faktoren hinzufügt, die zu einem nachhaltigen Produkt führen: Wo kommen die Rohstoffe her, was ist drin und wohin damit, wenn es nicht mehr gebraucht wird?

Seedmatch: Die Industrie schätzt an Plastik insbesondere das enorm breite Einsatzfeld: Je nach Anwendungsfall können sich Kunststoffe in Hinblick auf Härtegrad, Bruchfestigkeit, Elastizität, Temperatur- und chemische Beständigkeit enorm unterscheiden. Sind eure Verpackungslösungen in all diesen Hinsichten eine Alternative zur Plastikverpackung?

Sven Seevers: Plastik ist ein billiger Alleskönner. Durch Additive kann man daraus beinahe alles fertigen. Aber genau die enorme Haltbarkeit und Vielfalt ist das Fatale. Man wird das Zeug offensichtlich nicht wieder los.

Katja Seevers: Unsere Verpackungen aus Cellulose und anderen natürlichen Materialien sind schon sehr gut. Sie können bereits jetzt viele Plastikverpackungen ersetzen. Das ist aber erst der Anfang. Mit den heutigen Möglichkeiten werden wir in naher Zukunft beinahe jede Verpackung ersetzen können.

Seedmatch: Ihr fokussiert euch mit euren Produkten auf B2B-Kunden, die eure Materialien auf ihren Verpackungsmaschinen nutzen sollen. Wie wird das seitens der Industrie aufgenommen und welche zufriedenen Kunden könnt ihr bereits vorweisen?

Sven Seevers: Im Moment bedienen wir ausschließlich B2B-Kunden, sind aber bereits mit Großhändlern im Gespräch, um auch kleinere Mengen anbieten zu können. Die Industrie ist eher skeptisch. Altbewährtes wird nicht gerne verändert. Man ist ja auch nicht gezwungen. Aber dennoch sehen einige bereits das Potential und sind dann gern gesehene Kunden.

Katja Seevers: Wir haben bereits einige zufriedene Kunden. Wir verpacken frische Salate und Kräuter genauso wie elektronische Bauteile. Die Bandbreite ist sehr groß.

Seedmatch: Wie einfach ist es denn für ein Unternehmen, von herkömmlichen Plastikverpackungen auf eure Verpackungslösungen umzusteigen? Und wie unterstützt ihr dabei?

Sven Seevers: Es ist immer ein Prozess, wenn man etwas verändern möchte. Wir bestärken Unternehmen in ihren Bestrebungen. Am Ende ist ein Wechsel von erdölbasierten zu plastikfreien Verpackungen sehr einfach. Die Maschinen bleiben und müssen meist nur ein wenig anders eingestellt werden.

Katja Seevers: Wir beraten Unternehmen zu ihren Möglichkeiten, entwickeln Konzepte und beraten dabei, wie eine Umsetzung erfolgen kann. Wir verkaufen ihnen die passenden Produkte und begleiten den Prozess, bis die Maschine mit dem neuen Material läuft.

Seedmatch: Woran erkennen Verbraucher, dass ein Unternehmen auf nachhaltige Verpackungen setzt?

Sven Seevers: Oft werben unsere Kunden über ihre Online-Präsenz mit diesem Plus. Die Verpackungen selber sind eher schwer zu erkennen. Manchmal findet man die Info im Kleingedruckten.

Katja Seevers: Auf unseren Blog www.verycompostable.com bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, ihren Verpackungs-Erfolg zu präsentieren. Unser Ziel ist es, ein Zeichensystem zu etablieren, das alle Parteien informiert. So kann ein entscheidender Kaufanreiz geschaffen werden.

Seedmatch: Wie entsorge ich denn zuhause eure Verpackungen und was passiert danach mit ihnen?

Katja Seevers: Je nachdem, für welchen Kreislauf die Verpackung bestimmt ist: auf dem Heimkompost, in der Kompostieranlage oder in der gelben Tonne. Unsere Verpackungen sind optimiert für die jeweilige Entsorgung.

Seedmatch: Euer Unternehmen wurde erst 2017 gegründet und hat seitdem bereits zahlreiche Kunden gewonnen und Auszeichnungen erhalten. Eine sehr steile Entwicklung – Glückwunsch! Welche Ziele habt ihr euch für die nächsten Jahre gesetzt?

Sven Seevers: In den nächsten Jahren werden wir viele gute Verpackungslösungen anbieten. Wir sind ja erst am Anfang. Da gibt es noch einiges zu tun.

Katja Seevers: Wir können uns prinzipiell jedes existierende Produkt nehmen und es ökologisch verbessern. Verpackungen sind nur der Anfang.

Seedmatch: Und was würdet ihr euch von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wünschen, um diese Ziele noch besser erreichen zu können?

Sven Seevers: Wir brauchen Fürsprecher auf allen Ebenen. Unsere idee ist leicht verständlich und macht Sinn. Wir nutzen jede Gelegenheit, um Menschen dafür zu begeistern.

Katja Seevers: Ein Gesetz kann regeln, welche Verpackungen zumutbar sind und wie sinnvolle Entsorgungswege unsere Wertstoffe erhalten. Je größer der Druck auf Konsumentenseite, desto eher wird sich etwas ändern. Am Ende ist es eine Notwendigkeit, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten.

Seedmatch: Habt ihr zum Schluss noch eine Empfehlung für mich, wie ich schon mit kleinen Schritten meinen nicht-recyclebaren Verpackungsmüll reduzieren und so mehr für die Umwelt tun kann?

Sven Seevers: Möglichst unverpackt einkaufen. Auf einem Wochenmarkt z. B. muss man keine Verpackung mit nach Hause zu nehmen.

Katja Seevers: Zudem sind Mehrwegverpackungen in jeglicher Form sinnvoll. Glas ist nach wie vor ein sehr gut recycelbares Material.

Seedmatch: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt. Ich wünsche euch und uns allen, dass wir auf dem Weg zu nachhaltigen Verpackungen schnell weiter vorankommen und damit unserer Umwelt etwas Gutes tun!

Sven Seevers: Sehr gerne. Wir freuen uns über eure Unterstützung und auf die bald folgende Zusammenarbeit.

Katja Seevers: Vielen Dank und bleibt plastikfrei!

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