Babybe: „Unser Medizinprodukt ist einzigartig – und bereit für die Serienproduktion“

Winzig, zart und empfindlich: Mehr als 60.000 Babys kommen in Deutschland jedes Jahr zu früh zur Welt. Während die Kleinen ihre ersten Lebenstage im Inkubator verbringen, beginnt für die Eltern eine schwierige Zeit. Sie wollen ihrem Kind viel Nähe geben und können doch nicht immer im Krankenhaus sein. Als Camilo Anabalon zum ersten Mal auf einer Neugeborenenstation die Frühchen sah und die Eltern, die sehnsüchtig darauf warteten, ihr Kind im Arm halten zu dürfen, war er sehr gerührt. Der Anblick ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er suchte sich Partner und entwickelte Babybe, eine bionische High-Tech-Matratze für das Frühchen, die den Eltern-Kontakt simuliert. Im Interview mit Seedmatch spricht Camilo Anabalon über den langen Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt  – und über den Moment, als er zum ersten Mal sah, was seine Technologie bewirkt.

Seedmatch: Herr Anabalon, jedes elfte Kind in Deutschland ist ein Frühchen. Das heißt, es kommt weit vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt. Was bedeutet das für das Baby?

Camilo Anabalon: Kurz gesagt: Stress. Viele dieser Frühchen müssen wochen-, teilweise sogar monatelang im Inkubator versorgt werden, getrennt von ihren Eltern. Dabei ist die Nähe zu ihrer Mutter besonders wichtig für die Entwicklung der Babys. Leider können Eltern aus unterschiedlichen Gründen ihren Kindern in dieser Phase nicht kontinuierlich körperlich nahe sein. Hier kommt Babybe ins Spiel. Mit Babybe können Eltern ihren Frühgeborenen selbst dann Nähe schenken, wenn sie nicht da sind. 

Seedmatch: Wenn man an Frühgeborene denkt, hat man vor allem ein Bild im Kopf – das Baby im Inkubator. Für Eltern beginnen jetzt Wochen des Bangens. Viele versuchen, so viel Zeit wie möglich auf der Intensivstation zu verbringen. Warum ist diese Nähe so wichtig?

Camilo Anabalon: Die Eltern wollen nicht nur untätig daneben sitzen, sondern aktiv am Heilungsprozess ihres Kindes mitwirken. Und genau diese tägliche Mitarbeit wird im Rahmen der entwicklungsfördernden sowie familienzentrierten Pflege sehr begrüßt. Ein Ansatz, der seit vielen Jahren der klinischen Praxis entspricht, ist das sogenannte Känguruhen (aus dem Englischen: Kangarooing). Dabei wird das Frühchen der Mutter oder dem Vater auf den Brustkorb gelegt, mit dem Ziel, intensiven Hautkontakt zu ermöglichen. Dieses Vorgehen hat viele klinische Vorteile, die in mehreren Dutzend wissenschaftlichen Studien belegt wurden. Idealerweise sollte das Känguruhen täglich so lange wie möglich durchgeführt werden. 

Seedmatch: Aber die Eltern können meist nicht Tag und Nacht auf der Intensivstation sein. Mit Babybe haben Sie eine Brücke gebaut zwischen den Eltern und ihrem Baby im Krankenhaus. Doch bevor Sie weiter auf das Produkt eingehen, wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, sich gerade mit diesem Problem auseinanderzusetzen?

Camilo Anabalon: Der Besuch einer Neugeborenenstation war eine sehr intensive Erfahrung für mich. Ich sah, wie isoliert die Babys in einer fast feindlichen Umgebung aus grellem Licht und Alarmtönen lagen. Und ich sah die Eltern, die sehnsüchtig draußen warteten, um einen Moment mit ihrem Neugeborenen zu haben. Das war wirklich herzzerreißend. Daraus entstand die Motivation, ein Produkt herzustellen, das diesen Menschen hilft. 

Seedmatch: Und wie ging es dann weiter? Wie lange haben Sie an der neuen Technologie getüftelt, bis Sie mit dem Produkt schließlich zufrieden waren?

Camilo Anabalon: Babybe war – im wahrsten Sinne des Wortes – eine schwere Geburt. Wir haben mehrere Jahre geforscht, bis wir sicher waren, dass unser Produkt funktioniert. 2017 haben wir das erste Modell zur Marktreife gebracht. Und sind damit direkt auf offene Ohren gestoßen – bei Eltern genau wie bei Ärzten. Dass wir jedoch nie ganz zufrieden sind, sieht man daran, dass wir bereits die zweite Generation auf den Markt bringen. In diese ist sehr viel Feedback von Ärzten, Pflegern und Eltern geflossen. Nun ist das Produkt bereit für die Serienproduktion. 

Seedmatch: Was ist so einzigartig an Ihrem Produkt – die Gelmatte, das Muttermodul, das aussieht wie eine Schildkröte, das Kontrollmodul, das am Inkubator befestigt wird oder alles zusammen?

Camilo Anabalon: Im Prinzip ist jedes der drei Einzelmodule für sich betrachtet schon außergewöhnlich. Aber erst zusammen ermöglichen sie die bestmögliche Unterstützung bei der Entwicklung von Frühchen. Dazu werden Herzschlag, Brustkorbbewegung und Stimme der Mutter aufgenommen und mit Hilfe einer speziellen bionischen Gelmatratze an das Kind weitergegeben. Das Sensor-Pad (Muttermodul), welches sich die Mutter auf die Brust legt, sendet die Signale der Atembewegungen und Herztöne direkt an ein Empfangsgerät, welches außen am Inkubator angebracht wird. So hat das Frühgeborene auch in Abwesenheit der Mutter das Gefühl, auf ihrem Oberkörper zu liegen. Durch die elterliche Stimulation wird die neuronale Entwicklung des Babys sowie die Mutter-Kind-Bindung unterstützt. 

Seedmatch: Nun haben Sie sich keinen leichten Markt herausgesucht. Die meisten Krankenhäuser müssen sparen, ihr Budget ist knapp. Warum glauben Sie dennoch, dass Sie viele Klinken mit Babybe ausstatten können?

Camilo Anabalon: Weltweit gibt es kein Produkt, das sich mit der Unterstützung von Frühgeborenen durch die personalisierte Stimulation des Frühchens im Inkubator beschäftigt. Davon abgesehen haben wir ein umfassendes Netz aus starken Kooperationspartnern wie der Techniker Krankenkasse, Forschungskontakten, Distributoren und Lieferanten gewoben. Unser einzigartiges Produkt hat in Kombination mit diesem Netzwerk die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Markteintritt.

Seedmatch: Sicher haben Sie auch schon mit vielen Ärzten über Babybe gesprochen. Was sagen die Mediziner denn zu Ihrer Erfindung? 

Camilo Anabalon: Wir erhalten sehr viel Zuspruch für Babybe. Deshalb haben wir auch zahlreiche Partner aus dem Bereich der Wissenschaft für uns gewinnen können, darunter Prof. Terrie Inder von der Harvard Medical School England, Prof. Neena Modi vom Chelsea & Westminster Hospital in London, die Universität Mannheim sowie das Universitätsklinikum Frankfurt für Kinder- und Jugendmedizin. Einen engen Kontakt führen wir darüber hinaus mit der Europäischen Organisation für Neugeborene efcni.

Seedmatch: Sie konzentrieren sich bei der Vermarktung von Babybe nicht nur auf Deutschland und Europa, sondern auch auf den US-amerikanischen Markt. Warum wollen Sie ihr Produkt gerade in den USA bekannter machen?

Camilo Anabalon: Für Nordamerika spricht, dass es der mit Abstand größte regionale Markt ist und sich durch ca. 50 % des Gesamtvolumens des Weltmarkts auszeichnet. Aber nicht nur das hat uns dazu gebracht, Babybe in die Staaten zu bringen. Dort ist man auch eher bereit, etwas Neues auszuprobieren, was ein großer Vorteil für ein innovatives System wie unseres ist. 

Seedmatch: Wie kann Ihnen das Kapital der Seedmatch-Crowd dabei helfen und welche weiteren Ziele wollen Sie nach dem Funding verfolgen? 

Camilo Anabalon: Wir haben eine sehr realistische und fundierte Finanzierungsplanung entworfen. Mit den ersten 100.000 EUR werden wir den Technologietransfer zu einem externen Partner für die  Produktion von Babybe-Systemen zur Bereitstellung von Demo-Systemen und Probeinstallationen durchführen. Ab einer Fundingsumme von 300.000 Euro können wir unsere klinischen Partner in Deutschland, England und den USA bei der Validierung und Fertigstellung ihrer laufenden Studien unterstützen. Erreichen wir 500.000 Euro, werden wir die Markteinführung von Babybe in den USA intensivieren. 

Seedmatch: Können Sie für unsere Leser bitte noch einmal kurz zusammenfassen, warum ein Investment in die gesunde Frühgeborenen-Entwicklung mit Babybe sinnvoll ist?

Camilo Anabalon: Es gibt einfach keine bessere Investition als die in unsere Zukunft. Und die Zukunft sind nun mal unsere Kinder. Diese Einstellung wächst – und das weltweit. Das führt dazu, dass auch der Markt weiter wachsen wird. Und Babybe kann eine entscheidende Rolle hierbei spielen. 

Seedmatch: Und noch eine Frage zum Schluss: Erinnern Sie sich noch daran, als Sie zum ersten Mal gesehen haben, wie ein Frühchen auf die Babybe-Technik reagiert hat? Was haben Sie beobachtet – und was war das für ein Moment? 

Camilo Anabalon: Wie könnte ich diesen Moment vergessen? Es war auf einer Intensivstation in Chile. Viele Jahre hatten wir daran gearbeitet, wie man die Mutter-Kind-Beziehung bei Frühgeborenen, die im Inkubator liegen müssen, verbessern kann. Und jetzt wurde es plötzlich real. Als sich die Matratze in Bewegung setzte, damit den Herzschlag der Mutter simulierte und auf das Kind übertrug, passierte etwas. Alle im Raum hielten die Luft an. Das kleine Frühchen wurde ruhiger, entspannte sich, atmete gleichmäßig durch den Mund. Und dann sah ich es: ein Lächeln im Gesicht der Mutter. Zum ersten Mal seit Wochen schien sie wieder glücklich zu sein. Und dann wurde mir klar, warum ich das alles tue. Wir bauen keine Maschinen. Wir gründen keine Firmen. Wir bringen Familien zusammen. Es ist beeindruckend, was Technologie alles leisten kann. Und ich bin jeden Tag dankbar, mit Babybe ein Teil dieses Erfolgs zu sein. 

Seedmatch: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen einen erfolgreichen Fundingstart. 

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