Auf zu neuen Ufern – Geschäftsmodelle klug erweitern

Märkte und Kunden können manchmal unberechenbar sein, ebenso wie neue Trends scheinbar aus dem Nichts kommen und gehen und das eigene Geschäftsmodell ins Wanken bringen können. Doch kluge Führungskräfte lenken ihr Unternehmen auch durch stürmische Fahrwasser mit nautischem Geschick und Weitsicht. Statt jedem Trend hinterherzurennen, erweitern sie nachhaltig und sukzessive ihr Geschäftsmodell und erobern so für sich neue Ufer.

Während Startups die raue See für althergebrachte Wertschöpfungen oftmals erst verursachen, sind sie durch ihre DNA keineswegs per se immun gegen derartige externe Veränderungen und können genauso gezwungen werden, überlebenswichtige Anpassungen vorzunehmen. Ihnen droht schnell das reaktive Chaos, während größere Unternehmen mit tradierten Geschäftsmodellen oft nicht einmal rechtzeitig wissen, dass ihr Schiff bereits durch Havarie ernsthaft bedroht ist. Dabei gibt es verschiedene Ansätze, wie Geschäftsmodelle klug erweitert werden können – auch ohne krisenbedingten Anlass. Wir haben zwei spannende Strategien ins Visier genommen.

Bewährtes hinterfragen

Wie bei allen erfolgreichen Strategien ist das regelmäßige und ergebnisoffene Hinterfragen des eigenen Geschäftes sowie ein visionäres Verständnis vom eigenen Tun Basisvoraussetzung für kluge Unternehmer. Wer weiterhin die Scheuklappen trägt und strategielos Trends verpasst oder, fast schlimmer noch, jedem hinterher hechelt, den wird die Moderne überholen oder schnell die Puste ausgehen. Zwei berühmte Unternehmen bieten dafür ausreichend Lehrmaterial: Nokia und Microsoft.
Während Nokia sich als Mobiltelefonanbieter Nummer 1 wähnte, der noch im Glanz alter Tage erstrahlte, verpasste das finnische Unternehmen die Entwicklung hin zu den Smartphones, indem es weiterhin stur auf seine Tastentechnologie beharrte. Nachdem in 2013 dann die Umsätze um zwei Drittel einbrachen, verkaufte der ehemalige Platzhirsch notgedrungen die komplette Sparte an Microsoft. Dieser internationale Riese wollte 2014/2015 – ebenfalls angeschlagen und mit immensen Gewinneinbrüchen kämpfend – vom boomenden Smartphonegeschäft ein großes Stück Kuchen für sich abschneiden. Zwei Jahre später musste Microsoft feststellen, dass sein Trendkauf mangels Expertise ihm statt der Pole-Position eine deftige 7,2-Milliarden-Dollar-Abschreibung einbrachte.

Weder Trägheit noch Sprunghaftigkeit schaffen demnach nachhaltige und stabile Geschäftsmodelle. An vier Unternehmen und zwei Strategien wollen wir aber zeigen, wie Geschäftsmodelle klug und sehr profitabel erweitert werden können.

Zeitlose Werte fokussieren

Besonders erfolgreiche Plattformen lernten zügig, ihre stetigen Werte abseits ihres originären Geschäftsmodells in den Fokus zu rücken, wollen sie – mit dem recht leicht kopierbaren Plattform-Geschäftsmodell – dem Wettbewerb den Markteintritt erschweren. Eine Plattform ist nur dann wirklich gut und bietet ausreichend Lock-In-Effekt, wenn sie schnell wächst und ihr Ökosystem stetig erweitert. Eine Möglichkeit dazu ist die kluge Weiterverarbeitung der gewonnen Daten, die scheinbar nebenbei anfallen. So sind beispielsweise Plattformen wie Amazon oder Netflix ursprünglich angetreten, Produkte wie Alltagsgüter oder Filme an den Mann oder die Frau zu vermitteln. Das war das eigentliche Geschäftsmodell, welches durch Abonnements, Lizenzen oder Provisionen zum wirtschaftlichen Tragen kam. Amazon begann in 2009, diese Daten über meistgesuchte Produkte und größtmögliche Händler-Margen zu nutzen, um selbst als Warenproduzent und -händler aufzutreten. Damit verließ das Unternehmen seine neutrale Rolle als Plattform und erweiterte sein Geschäftsmodell äußerst lukrativ und zum Ärger vieler. Allein im ersten Halbjahr 2017 soll Amazon mit seiner bekannten Hausmarke AmazonBasics, aber auch mit seinen hinter Pseudonymen versteckten anderen Eigenproduktionen über 200 Millionen US-Dollar an Zusatzerlösen erwirtschaftet haben.
Netflix nutzte wiederum die Daten zum Userverhalten seiner Mitglieder dazu, selbst Filme und Serien zu produzieren – mit überwältigendem Erfolg. Netflix’ Erstling war die Serie House of Cards, die für 53 Emmys und sechs Golden Globes nominiert wurde. Der Politthriller spielte allein mit der ersten Staffel über 800 Millionen US-Dollar zusätzlich in die Kassen des Streamingdienstleisters sowie über fünf Millionen neue Nutzer zur Plattform.

Wertschöpfungsketten evolutionär erweitern

Nachhaltiges Wachstum und Krisenfestigkeit können aber auch durch nah am Hauptgeschäft assoziierte Wertschöpfungsketten erschlossen werden. Unternehmen, die das besonders erfolgreich umgesetzt haben, profitierten von ihrer Kernexpertise und können so immense Synergieeffekte heben.
Melitta und Ikea sind zwei erfolgreiche Beispiele evolutionär weiterentwickelter Geschäftsmodelle. Als Ikea sich vor rund 70 Jahren gründete, stand eine große Vision im Fokus, die bis heute als Leitsatz gilt: „Ein besserer Alltag für Jeden“. Entlang dieser Philosophie wurden nach und nach neue gewinnträchtige Geschäftsbereiche erschlossen, die einzeln für sich genommen sehr kapitalkräftig sind, aber auch auf das Kerngeschäft einzahlen – nämlich den Verkauf von Möbeln und Wohnaccessoires. Eine über 200 Millionen Euro schwere Erkenntnis war diejenige, dass hungrige Menschen schneller wieder das Geschäft verlassen – satte und ausgeruhte Kunden dagegen mehr Geld bringen. Die Idee der Ikea-Restaurants war geboren. Mittlerweile sind die Restaurants mit jährlich über 8 Prozent Wachstum die achtgrößte Restaurantkette in Deutschland und erwirtschafteten allein in der Bundesrepublik mehr als 200 Millionen Euro Umsatz in 2016. Doch dabei blieb es längst nicht – unter dem Dach des Konzerns werden unter anderem smarte Verpackungen produziert, Fertighäuser errichtet und die Ikea-Hotelkette aufgebaut. All das zahlt auf das originäre Kerngeschäft ein, ist aber auch für sich genommen lukrativ.

Ähnlich ging der Konzern Melitta vor, dessen Erfolgs-Ursprung die Erfindung des Kaffeefilters war. Ein smartes Produkt, das bis heute täglich 50 Millionen Mal die Fabriktore des Familienunternehmens verlässt. Trends wie Tabs, Kapseln, Cafetieras und Kaffeevollautomaten hätten das Unternehmen schwer treffen müssen. Mitnichten: Denn Melittas Expertise geht weit über die Produktion von Filtertüten hinaus. Diese wurden nur aus der Not erfunden, um endlich guten, heißen und kaffeesatzfreien Trinkgenuss zu erhalten. Was lag da näher, als sein Geschäftsmodell sukzessive um das schwarze Gold evolutionär auszubauen? Über hundert Jahre nach der Erfindung vertreibt der Konzern neben den Filtertüten Filterkaffee und ganze Bohnen sowie das dafür notwendige Equipment, von der Kapsel bis hin zum Automaten. Trotz rückläufigem Absatz bei den Filtertüten scheint jeglicher Trend zum Kaffeegenuss in die eigenen Karten zu spielen: 2017 konnte die Unternehmensgruppe elf Prozent Wachstum auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz verkünden.

Land in Sicht

Ob nun als Geschäftsführer eines Startups oder großen Konzerns mit langer Tradition – die Digitalisierung und die Globalisierung verändern immer schneller das Geschäft, die Kunden und die Märkte. Statt sich nur auf die nächste Welle zu konzentrieren oder neidvoll auf das schnellere Schiff zu schielen, besinnen Sie sich lieber auf Ihre Expertise und navigieren Sie mit den Sternen. Denn diese Assets bleiben Ihnen gewiss.

2 Comments

  1. Tim Klein
    26. März 2019

    Danke erst einmal für den aufschlussreichen und informativen Beitrag!

    Auch die Einleitung finde ich sehr passend, zwar, dass Märkte und Kunden unberechenbar sein können. Das habe ich in meinem Beruf bzw. Geschäftsleben schon sehr oft erlebt. Fast jede Branche durchlebt immer wieder Veränderungen, was aber auch relativ normal ist. Bei einiges Branchen ist dies eher gegeben, als bei anderen. Das liegt unter anderem an verschiedenen technologischen Fortschritten, aber auch einfach daran, dass der Kunde von Morgen nicht unbedingt das Gleiche haben will, wie heute. Auf jeden Fall ist es auch mal angemessen, wenn man bewährtes hinterfragt. Nur, weil man es schon lange so macht, heißt das ja nicht, das es auch zeitgemäß bzw. überhaupt noch richtig ist. Ich denke da beispielsweise an Unternehmen, wie Blockbuster, dessen Geschäftskonzept leider nicht mehr zeitgemäß war. Manchmal muss man eben schwierige Entscheidungen treffen, wobei wir auch auf Beratung setzen. Dennoch muss man sagen, dass man auch nicht unbedingt etwas ändern muss, wenn es funktioniert. Trotzdem ist es oft nicht falsch, auch zu hinterfragen und für Veränderungen offen zu sein.

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    1. Kirsten Petzold
      27. März 2019

      Hallo Tim,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Wir freuen uns, dass dir der Beitrag gefallen hat!

      Viele Grüße,
      Kirsten

      Antworten

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