Alacris: „Ein Exit ist ein realistisches Szenario – aber nicht um jeden Preis“

Knapp anderthalb Jahre nach dem ersten erfolgreichen Funding meldet sich Alacris auf der Seedmatch-Plattform zurück. Das Unternehmen, das mit seinen innovativen Analyse- und Simulationsverfahren den jährlich 18 Mio. neuen Krebspatienten weltweit eine personalisierte Therapie ermöglichen möchte, hat sich seit dem letzten Funding stark entwickelt: Mithilfe des Kapitals der Seedmatch-Crowd konnten die Laborkapazitäten erhöht sowie erste Erstattungen des Alacris-Kernprodukts CMTA (Comprehensive Molecular Tumor Analysis) bei den Krankenkassen erwirkt werden. Im Interview mit Alacris-Geschäftsführer Dr. Bodo Lange und -Gründer Prof. Hans Lehrach (v. l. n. r.) sprachen wir über die Pläne zur weiteren Unternehmensentwicklung, die Chancen, die Alacris für Krebsdiagnostik und Medikamentenentwicklung eröffnet, sowie das Exit-Potenzial.

Seedmatch: Herzlich willkommen zum Interview, lieber Herr Dr. Lange und lieber Prof. Lehrach. Vor knapp anderthalb Jahren haben wir im Interview zu Ihrem ersten Seedmatch-Funding bereits sehr ausführlich darüber gesprochen, mit welchen Ansätzen und Verfahren Alacris die Krebstherapie revolutioniert. Können Sie für Leser, die unseren Blog damals noch nicht verfolgt haben, noch einmal zusammenfassen, was genau Alacris tut?

Dr. Bodo Lange: Wir beschäftigen uns mit den molekularen Mechanismen bei der Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten. Im Kern unseres Geschäftsmodells entwickeln wir anhand unserer Forschung und den daraus gewonnenen Erkenntnissen und Daten innovative Ansätze, um Krebs und andere Krankheiten noch besser diagnostizieren und therapieren zu können.

Seedmatch: Ihre Kernprodukte sind die CMTA sowie der “Digitale Zwilling”, d. h. eine Computersimulation, mit der Therapieverfahren und Medikamente virtuell am Patienten getestet werden können, bevor sie tatsächlich zum Einsatz kommen. Wie wirken diese beiden Bausteine Ihres Portfolios zusammen und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Erkrankten und ihre behandelnden Ärzte?

Dr. Bodo Lange: Mit unserer umfassenden molekularen Tumoranalyse, der CMTA, können wir Onkologen mögliche individuelle Behandlungsoptionen für ihre Patienten aufzeigen, angepasst an das molekulare Profil des Tumors und auch der Tumorumgebung. Unsere CMTA ist aktuell eine der umfassendsten Untersuchungen der individuellen genetischen Veränderungen bei Tumorerkrankungen am Markt. Ihre Ergebnisse bieten dabei ein sehr detailliertes digitales Abbild einzelner, individueller Tumore und des Patientengenoms.

Prof. Hans Lehrach: Der digitale Zwilling setzt, derzeit noch in Forschungsprojekten, auf die Ergebnisse der CMTA auf und erstellt mit einer Vielzahl von Daten Computersimulationen, um für einzelne Patienten möglichst exakt vorherzusagen, wie die Krankheit verläuft und wie welche Medikamente im Individuum und in den Krebszellen wirken. Wir arbeiten in nationalen und internationalen Forschungsprojekten intensiv an der klinischen Validierung unseres Ansatzes und erwarten innerhalb der nächsten zwei Jahre den kommerziellen Einsatz unserer Entwicklung.

Seedmatch: Laut Weltgesundheitsorganisation erhalten jährlich über 18 Mio. Menschen weltweit die Diagnose Krebs, und bis zum Jahr 2040 wird sich die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen voraussichtlich sogar verdoppeln. Woher kommt dieser starke Anstieg?

Dr. Bodo Lange: In den Industrienationen haben wir eine sehr hohe Lebenserwartung. Wie bei anderen molekularen Prozessen nimmt auch bei der Zellteilung die Präzision im Alter leider ab. Das führt zu Mutationen – in dem Fall Kopierfehler bei der Zellteilung, die für das ungehemmte Zellwachstum, denn nichts anderes ist Krebs, verantwortlich sind. Etwa drei Viertel aller Krebs-Neuerkrankungen werden bei Patienten, die älter als 60 Jahre sind, diagnostiziert. Dazu kommen Ursachen wie Umweltfaktoren, Umstände in der persönlichen Lebensführung, beispielsweise Rauchen, seltener eine genetische Prädisposition.

Prof. Hans Lehrach: Dank der besser werdenden medizinischen Diagnostik werden dazu auch immer mehr Krebserkrankungen entdeckt. Doch auch die therapeutischen Möglichkeiten entwickeln sich weiter: Längst verlaufen nicht mehr alle Erkrankungen schwer oder tödlich. Aber es gibt immer noch viele Erkrankungen mit seltenen Tumoren oder Tumoren unbekannter Herkunft, und auch bei sehr jungen Patienten gibt es leider sehr aggressive Verläufe mit metastatischen Tumoren. Genau in diesen Fällen setzt Alacris an.

Seedmatch: Ihr letztes Funding hat die Seedmatch-Crowd begeistert: Innerhalb von knapp zwei Monaten wurde das Fundingziel von 800.000 Euro erreicht. Welche Entwicklung hat Alacris seitdem dank des akquirierten Kapitals genommen?

Dr. Bodo Lange: Dank der überwältigenden Unterstützung durch die Seedmatch-Investoren konnten wir unseren Geschäftsbetrieb weiter ausbauen. Wir haben wie geplant unsere CMTA-Pipeline weiter automatisiert und somit kosteneffizienter gestaltet. Dadurch konnten wir den Preis der CMTA für unsere Patienten weiter reduzieren. Wir haben in unsere IT- und Sequenzier-Infrastruktur investiert. Unsere neue State-of-the-Art Sequenzier-Plattform erlaubt jetzt einen höheren Probendurchsatz und kosteneffektivere Sequenzierung. Besonders freue ich mich, dass wir 2019 neue Kolleginnen und Kollegen im Labor und in der Bioinformatik einstellen konnten. Damit konnten wir nicht nur für mehr Patienten unsere Analysen durchführen, sondern auch unseren digitalen Zwilling, ModCellTM, entscheidend weiterentwickeln.

Prof. Hans Lehrach: Wir arbeiten jetzt weiter intensiv an der Akkreditierung nach DIN EN ISO 15189 für medizinische Laboratorien und an der klinischen Validierung unseres Ansatzes. Den wichtigen Meilenstein, die Erstattung der CMTA bei Krankenkassen, haben wir zusammen mit einem Berliner Klinikpartner Ende 2019 im Bereich der pädiatrischen Onkologie erreicht.

Seedmatch: Zum Zeitpunkt des letzten Fundings haben Sie sich vor allem auf den Einsatz Ihrer Produkte bei Melanomen, d. h. schwarzem Hautkrebs, konzentriert. Dieser kommt in Deutschland besonders häufig vor und hat, wenn er zu spät erkannt wird, eine hohe Sterblichkeit. Liegt Ihr Schwerpunkt weiterhin in der Behandlung dieser Krebsart oder sind inzwischen auch andere Arten verstärkt in Ihrem Fokus?

Dr. Bodo Lange: Unser molekularer Ansatz hilft sehr vielen Patienten mit sehr unterschiedlichen und auch seltenen Krebserkrankungen. So gelten im Prinzip alle Krebserkrankungen bei Kindern als selten. In enger Zusammenarbeit mit einer großen Berliner Klinik führen wir regelmäßig CMTA-Analysen für junge Patienten durch und konnten sogar die Krankenkassenerstattung der Kosten erwirken. Unsere Studie zum molekularen Verständnis und möglichen Therapien von metastasiertem schwarzem Hautkrebs, die Sie hier ansprechen, haben wir mit vielversprechenden Ergebnissen abgeschlossen und arbeiten mit unseren Projektpartnern derzeit an einer Publikation hierzu. Nichtsdestotrotz werden wir weiterhin ein Augenmerk auf den schwarzen Hautkrebs legen. CMTA ist jedoch für alle Tumorarten geeignet. Laufende Forschungsprojekte, an denen wir beteiligt sind, betreffen Brust-, Lungen- und Kinderkrebs.

Seedmatch: Ein wichtiger Schritt bei medizinischen Innovationen ist die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen, die Sie bereits angesprochen haben. Wo steht Alacris hier genau und wie vielen Patienten konnte Ihr Verfahren bereits zugute kommen?

Dr. Bodo Lange: Wie unsere Zusammenarbeit mit deutschen Kliniken und immer mehr Aufträge durch deutsche und internationale Onkologen gezeigt haben, wird die CMTA jetzt schon sehr gut im Markt angenommen. Wir freuen uns aber besonders, dass wir, wie eingangs erwähnt, den großen Meilenstein der Erstattung der CMTA im Bereich der pädiatrischen, also Kinder-Onkologie, erreicht haben. In der Zusammenarbeit mit dieser Berliner Klinik analysieren wir im Rahmen unserer Kooperation regelmäßig eine ganze Reihe von Patientenproben. Es freut uns aber natürlich auch, dass wir bereits jetzt eine steigende Zahl von Patienten aus den USA, dem wohl kompetitivsten Markt bei solchen Untersuchungen, verzeichnen und dabei im direkten Vergleich mit großen Wettbewerbern weit besser abschneiden.
Aktuell befinden wir uns in fortgeschrittenen Gesprächen mit weiteren Klinikpartnern, mit dem Ziel, 2021 in einem bundesweiten Netzwerk von über 60 Kliniken mit Fokus auf die Kinderonkologie die CMTA durchzuführen.

Seedmatch: Neben der Krebstherapie kann der “Digitale Zwilling” auch im Rahmen der Entwicklung und Zulassung von Medikamenten zum Einsatz kommen. Durch diese Digitalisierung sehr aufwändiger Prozesse sind für die Pharmaindustrie enorme Zeit- und Kostenersparnisse möglich. Nehmen Sie dieses Anwendungsfeld Ihres Produkts aktuell bereits ins Visier?

Prof. Hans Lehrach: Die Medikamentenentwicklung in der Onkologie hat bei langen Entwicklungszeiten sehr geringe Erfolgsraten: Nur zwei bis zehn Prozent der getesteten Medikamente schaffen es in die nächste Zulassungsphase. Der digitale Zwilling, basierend auf unserer ModCellTM-Technologie, kann diese Ausfallrisiken reduzieren, Erfolgsraten verbessern und so Entwicklungsprozesse und Zulassungen für Medikamente signifikant beschleunigen. Ein weiterer Vorteil dieser Innovation liegt in der Biomarkeridentifizierung und in der Erprobung bereits zugelassener Medikamente für den Einsatz bei anderen Erkrankungen. Das wäre ein Quantensprung im Ausbau der medizinischen Versorgungslandschaft und in der deutlich schnelleren Therapieidentifikation für auch neue, noch relativ unerforschte Krankheiten. Aktuell validieren wir ModCellTM in mehreren Forschungsprojekten des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, Horizon 2020, für die kommerzielle Anwendung weiter.

Seedmatch: Gerade die Branchen LifeScience und Pharma sind bekannt dafür, dass es häufiger zu Übernahmen vielversprechender junger Unternehmen durch große Konzerne kommt. Ist ein solcher Exit auch für Alacris ein realistisches Szenario?

Dr. Bodo Lange: Im Fokus liegen für uns die weitere Marktdurchdringung, der Einstieg in die Märkte anderer Länder sowie die Weiterentwicklung und Kommerzialisierung unserer Innovationen. Natürlich bleibt das nicht lange unbemerkt und uns haben bereits erste Anfragen erreicht. Aber jedes Angebot will gut geprüft sein und soll für unsere Forschung und Entwicklung sowie für unsere Patienten als auch Investoren nachhaltigen Mehrwert bringen. Also ja, ein Exit ist ein realistisches Szenario – aber nicht um jeden Preis.

Seedmatch: Warum möchten Sie jetzt erneut Kapital aufnehmen – und warum fiel Ihre Wahl wieder auf Seedmatch?

Dr. Bodo Lange: Unsere erste Fundingrunde bei Seedmatch war für uns eine großartige Erfahrung und ein wichtiger Schritt nach vorne. Wir haben in nur zwei Monaten das Fundingziel von 800.000 Euro erreicht, haben im Dialog mit der Plattform und den Investoren wertvolle Impulse erhalten und viel gelernt. Wir wollen jetzt mit den Seedmatch-Investoren zuerst in Deutschland und dann international erfolgreich weiter wachsen – hierfür möchten wir den Auftrieb aus dem ersten Funding mitnehmen und erneut Kapital aufnehmen.

Seedmatch: Wofür soll das neuerliche Kapital konkret eingesetzt werden?

Prof. Hans Lehrach: Das positive Feedback der ersten Runde hat uns darin bestätigt, mit der CMTA und unseren darauf aufbauenden Technologien den richtigen Ansatz zu verfolgen. Mit dem avisierten Netzwerk von rund 60 weiteren Kinderkrebskliniken benötigen wir höhere Kapazitäten im Labor und in der Bioinformatik. Wir wollen und müssen also unsere IT- und Sequenzierungs-Kapazitäten weiter ausbauen und neues Fachpersonal für uns gewinnen.
Wir müssen aber auch sagen, dass wir, bei all den Schritten, die wir umsetzen, und den Erfolgen, die wir verzeichnen konnten, noch nicht ausreichend in Marketing und Business Development investieren konnten. Mit der parallel angestrebten Akkreditierung nach ISO 15189 für medizinische Laboratorien und der klinischen Validierung unseres Ansatzes ist dies nun ein wichtiger Fokus.

Seedmatch: Können Sie für unsere Leser bitte noch einmal kurz zusammenfassen, warum es sich lohnt – gegebenenfalls sogar ein zweites Mal – in Alacris zu investieren?

Dr. Bodo Lange: Mit Ihrem Investment bei Alacris investieren Sie in die Zukunft der Krebsdiagnostik mit präziseren Diagnosen und erfolgreicheren Therapien. Damit investieren Sie auch für jährlich 18 Millionen neue Krebspatienten in die Chance, endlich eine individuell-maßgeschneiderte Therapie zu erhalten.

Prof. Hans Lehrach: Es besteht nach wie vor ein großer Bedarf an neuen, innovativen Diagnoseverfahren und Therapien für Krebs. Mit diesem Markt wächst ebenso die Nachfrage nach Möglichkeiten der schnelleren und kostengünstigeren Entwicklung und Zulassung von Medikamenten und somit der Digitalisierung von Medikamentenstudien. Beide Zielmärkte wachsen exponentiell und wir sehen uns sehr gut in diesen positioniert.

Seedmatch: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Für die Kampagne wünschen wir Ihnen – auch im Namen aller Krebspatienten – viel Erfolg!

Prof. Hans Lehrach: Vielen Dank!

Dr. Bodo Lange: Wir freuen uns auf die erneute Begegnung und den Austausch mit den Seedmatch-Investoren!

 

Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen. Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.

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