Klassiker auf dem Prüfstand: Mit der richtigen Methode versteckte Potenziale heben

Wir alle werden täglich mit einer Vielzahl an Innovationen konfrontiert. Das 2-in-1-Duschgel, nach dessen Benutzung man sich die Zeit fürs Eincremen mit einer Bodylotion sparen kann – Innovation! Das Waschmittel, das besonders gründliche Hygiene verspricht und 99,9 % aller Bakterien abtötet – Innovation! Das nahezu kohlenhydratfreie Eiweißbrot, das der Bäcker um die Ecke seit Neuestem im Angebot hat – Innovation! Jede kleinere und größere Produktverbesserung ist gleich hochgradig innovativ – so werden zumindest die Hersteller und ihre Marketing-Strategen nicht müde, zu betonen. “Innovation ist das Schlagwort des Jahrzehnts”, stellt Innovationsforscher Professor Michael Hutter vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin fest. Doch trotz aller (scheinbaren) Innovation gibt es auch Produkte, die im “Höher, schneller, weiter”-Gerangel des Fortschritts bisher nicht präsent sind. Einem “blinden Fleck” gleich werden sie kaum hinterfragt und haben sich bereits seit längerer Zeit nur sehr wenig verändert.

Ein Beispiel dafür sind Rollstühle. Obwohl jeder 50. Mensch in Deutschland im Rollstuhl sitzt, ist die Konstruktion der wichtigen Mobilitätshilfen in den letzten Jahrzehnten nahezu gleich geblieben. Der Standard-Rollstuhl mit zwei großen Antriebsrädern mit Greifringen an der Seite sowie zwei kleinen Rädern vorn ermöglicht nur eine statische Sitzposition. Die Folge sind Beschwerden im Rücken, in den Schultern und den Handgelenken, unter denen viele Rollstuhlfahrer leiden. Doch trotz der bekannten Problematik hat sich in der Entwicklung jahrzehntelang nicht viel getan, bis unser Startup Desino Rollstühle erfand, die dynamisches Sitzen und damit gesunde Bewegung auch für Rollstuhlfahrer ermöglichen. Worin liegen die Ursachen für diesen langjährigen Mangel an Innovation? Wurde den Nutzern nicht genug zugehört? Können nur wenige Produktverantwortliche auf Erfahrungen aus erster Hand zurückgreifen? Man weiß es nicht…

Erfolgsfaktor innovationsfreudiges Klima

Als gesichert darf jedoch gelten, dass es auch Produkte und Technologien gibt, mit denen die meisten von uns häufig in Berührung kommen und die dennoch seit Jahr und Tag fast gleich funktionieren. So etwa die Reinigung von Autos. Wer sich Zeit und Aufwand für die Wäsche von Hand sparen möchte, fährt bereits seit Mitte der 60er Jahre zur Waschstraße seines Vertrauens und lässt Hochdruckreiniger, Bürsten und Schaum ihr Werk tun. Eigentlich kaum verbesserungswürdig, denken Sie? Dass es deutlich bequemer und umweltfreundlicher geht, zeigt hingegen seit einigen Jahren unser Startup MyCleaner. Kunden können eine Vor-Ort-Fahrzeugreinigung online buchen, müssen nicht mehr an der Waschanlage Schlange stehen – und die neuartige Reinigungsmethode mit einer Waschemulsion ist besonders umweltfreundlich und funktioniert komplett wasserfrei. Kaum zu glauben?

Damit befinden wir uns auch schon im typischen Spannungsfeld, in dem sich eine neue Idee behaupten muss. Ist sie fast zu schön, um wahr zu sein, rufen wir überzeugt aus: “Wenn das so einfach wäre, hätte es doch schon jemand anderes gemacht!” Fordert sie uns und unsere liebgewonnenen Gewohnheiten heraus, sagen wir: “Aber das machen wir doch schon immer so!” Gibt es hingegen vorsichtige Anzeichen, dass sich mehrere Innovatoren mit ähnlichen Ansätzen tragen, nehmen wir den Ideen mit einem beherzten “Jemand anderes macht das auch schon so!” jeglichen Wind aus den Segeln. Hier wird deutlich, woran viele potenzielle Innovationen bereits im Ansatz scheitern: Es fehlt an einem innovationsfreudigen Klima.

So gelingt es, Selbstverständliches mit neuen Augen zu sehen

Wer im eigenen Unternehmen Innovationen mit den gängigen Totschlagargumenten im Keim erstickt, sie belächelt oder als Angriff auf Altbewährtes versteht, der handelt kurzsichtig und darf sich nicht wundern, wenn die Konkurrenz bald mit wirklichen Innovationen vorbeizieht, während man selbst damit beschäftigt ist, allenfalls Mikro-Optimierungen an den bereits ach so perfekten eigenen Produkten vorzunehmen. Doch auch der, der das Potenzial von Innovationen überhöht und hinter jeder Idee den nächsten Moonshot vermutet, läuft Gefahr, enttäuscht zu werden. Denn alle Innovationen tragen das Risiko des Scheiterns in sich, es ist sogar viel wahrscheinlicher als ein positiver Ausgang. Unternehmen müssen daher das Entstehen möglichst vieler Ideen fördern und schnell erste Erfahrungen sammeln, denn so erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass einige wenige Einfälle wirklich “fliegen” werden.

Gerade in Early Stage- sowie jungen Wachstumsunternehmen erfreut sich im Innovationsprozess der Lean Startup-Ansatz großer Beliebtheit – und das ganz zurecht. Ziel ist es, aus der Produktentwicklung einen strukturierten Kreislaufprozess zu machen. Dieser beginnt gemäß der Maxime “Done is better than perfect” (Etwas erledigt haben ist besser, als es unendlich zu perfektionieren) mit einem Minimum Viable Product, also einem Produkt, das lediglich die Mindestanforderungen erfüllt. Dieses frühe Produkt kann von Mitarbeitern, Interessenten und ersten Kunden gründlich auf Herz und Nieren geprüft werden, wodurch das Entwicklungsteam schnell wertvolles Feedback aus dem Praxiseinsatz erhält und sein Produkt in kleinen Schritten gezielt und zügig weiterentwickeln kann. Das ist deutlich effektiver als die oft in größeren Organisationen anzutreffende “Wasserfall-Methodik”, bei der ein hochentwickeltes Produkt mit allen technischen Finessen erstmals veröffentlicht wird – und im schlimmsten Fall auf komplettes Desinteresse seitens der anvisierten Zielgruppe stößt.

Es bleibt zu wünschen übrig, dass noch mehr Unternehmen jeder Größe agile Produktentwicklungsmethoden für sich entdecken, ein günstiges Innovationsklima fördern und sich weiteren Feldern annehmen, die auf dringend benötigte Innovationen hoffen. Wir bleiben gespannt und freuen uns auf den nächsten Senkrechtstarter…!

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