„Meine Strategie ist eine breite Streuung des Risikos, damit ich einzelne Totalausfälle gut verkraften kann“ – Investor Jörg Diehl im Interview

Jörg Diehl ist seit einigen Jahren als Investor aktiv und investiert regelmäßig in Startups via Crowdfunding. Er ist in der Branche ein aktives und bekanntes Gesicht und setzt sich immer wieder für die Belange dieser jungen Branche ein. Im Interview erklärt er, welche Faktoren für ihn wichtig sind, um ein Investment zu tätigen, warum ihn die Investment-Klasse Startup besonders reizt und was für ihn Risikodiversifikation bedeutet.

Themenreihe „Portfoliostrategie“ Teil III: Crowdfunding-Investor Jörg Diehl im Gespräch

Seedmatch: Hallo Jörg, Du bist schon seit langer Zeit Investor bei Seedmatch und investierst regelmäßig in junge Unternehmen. Wie bist du damals auf das Thema Crowdfunding aufmerksam geworden? 

Jörg_DiehlJörg Diehl: Das war ganz zufällig. Ich bin durch die ZDF Sendung „WISO“ Anfang 2012 auf das Thema aufmerksam geworden. Dort wurde berichtet, dass man jetzt auch als Kleinanleger in Startups investieren kann und es wurde die Firma Bloomy Days vorgestellt, die kurz danach ein Funding auf Seedmatch startete. Das Thema hat mich schon immer interessiert, allerdings waren die Mindestanlagesummen bei VC Fonds etc. ziemlich hoch und für mich nicht realisierbar.

Ich habe mich also im Internet zum Thema informiert und mir die Seite von Seedmatch sehr genau angeschaut. Da ich gerne bei Bloomy Days dabei sein wollte, habe ich mich schnell registriert und Musterverträge etc. studiert. Um ein wenig Gefühl für die Sache zu bekommen, habe ich damals gleich in zwei andere Projekte, die vor Bloomy Days auf der Plattform waren, mit dem Mindestbetrag von 250 Euro investiert.

 

Seedmatch: Weißt du noch, wann du dein erstes Investment getätigt hast? Was hat dich damals überzeugt?

Jörg Diehl: Mein erstes Investment war die Firma Larovo, in die ich am 24.05.2012 investiert hatte. Wie bereits erwähnt, habe ich dieses Investment eher getätigt, um ein Gefühl für die Sache zu bekommen. Ich hatte mir damals vorgenommen, mich an den meisten Fundings mit einem Minimum-Betrag zu beteiligen, um mein Gesamtrisiko über ein breites Portfolio zu streuen.

 

Seedmatch: Wie zufrieden bist du mit der derzeitigen Entwicklung der Startups, in die du investiert hast?

Jörg Diehl: Das ist eine schwere Frage, denn in den ersten Jahren fahren die meisten Startups ja normalerweise zum großen Teil nur Verluste ein, bis endlich ein Break-even erreicht ist und später dann auch Gewinnbeteiligungen fällig werden. Es gab in meinem Portfolio inzwischen auch schon ein paar Totalausfälle durch Insolvenz, andere Startups entwickeln sich langsamer als erhofft. Es gibt aber auch ein paar Startups, die sich ganz toll entwickeln und bei denen  es immer wieder Spaß macht, deren Entwicklung zu beobachten und die Quartalsberichte zu lesen. In den nächsten ein bis zwei Jahren erwarte ich bei einigen meiner Investments eine Gewinnbeteiligung. Die Hoffnung ist auch, dass es in Deutschland auch mal zu einem großen Exit kommt, bei dem die Crowdinvestoren zu fairen Bedingungen partizipieren können.

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Seedmatch: Kannst du sagen, wie viel Prozent deines Gesamt-Portfolios Startups ausmachen? 

Jörg Diehl: Da ich sehr an Startup-Investments interessiert bin, machen diese Investments einen großen Teil meines Gesamtportfolios aus. Ich schätze mal, dass etwa 65% meiner Investments in Startups erfolgt sind – ein Großteil davon über Seedmatch. Mit einem kleinen Teil bin ich aber auch Startup-Investments auf anderen Plattformen eingegangen, um mein Risiko zu streuen. Ausserdem habe ich auch in verschiedene Projekte zur Energieeffizienz, zur Mittelstandsfinanzierung und in ein Immobilienprojekt investiert, die auf den ersten Blick risikoärmer erscheinen. Mit diesen Investments will ich ein stabiles Gegengewicht zu meinen hochriskanten Startup-Investments schaffen.

 

Seedmatch: Inwieweit spielt für dich bei deinen Investmententscheidungen auch Risiko-Diversifizierung Deines Portfolios eine Rolle?

Jörg Diehl: Risiko-Diversifizierung spielt für mich, wie eben schon erwähnt, eine sehr große Rolle. Ich verteile mein investiertes Geld lieber auf viele verschiedene interessante Projekte, als eher große Summen in einige wenige Unternehmen zu investieren. Meine Strategie ist eine breite Streuung des Risikos, damit ich einzelne Totalausfälle gut verkraften kann.

 

Seedmatch: Wie diversifizierst du innerhalb der Startup-Investments?

Jörg Diehl: Zunächst versuche ich ein breites Spektrum von Branchen abzudecken. Ich lege aber auch Wert darauf, in Unternehmen in verschiedenen Entwicklungsphasen zu investieren. Daher habe ich auch in ein paar Wachstumsfinanzierungen von Unternehmen investiert, die man eher dem Mittelstand zuordnen kann.


Seedmatch: Worauf achtest du speziell bei Investitionen auf Crowdfunding-Plattformen wie Seedmatch?

Mir ist besonders wichtig, dass ein Startup ein ausgewogenes Gründerteam hat, welches die verschiedenen Geschäftsbereiche (Finanzen, Vertrieb, Operations, etc.) abdeckt und sich gut ergänzt. Weiterhin versuche ich, mir einen persönlichen Eindruck von den Gründern zu machen. Ich frage mich, ob das Geschäftsmodell für mich Sinn macht und ob man damit Geld verdienen kann. Wenn das Gründerteam dann noch zeigt, dass sie genau wissen, was sie tun und für Ihre Sache brennen, spielt das in meiner Entscheidung eine große Rolle. Ich schaue mir an, wie Fragen beantwortet werden und wie souverän die Gründer z.B. in Videokonferenzen wirken, in denen man als Investor live Fragen stellen kann. Ein persönlicher Kontakt ist mir besonders wichtig, wenn ich plane, etwas mehr in ein Startup zu investieren. Oft beobachte ich die Fundings auch eine Weile, um einen Eindruck zu bekommen, wie das Funding so läuft und wie sich andere Investoren verhalten. Werden in relativ kurzer Zeit hohe Summen pro Investor in ein Startup investiert, hat das für mich eine überzeugendere Wirkung, als wenn viele Investoren mit relativ kleinen Beträgen investieren. Interessiert beobachte ich auch, welche Fragen im Frage/Antwort-Kanal auf der Plattform gestellt werden, wie schnell die Gründer auf die Fragen reagieren und wie sie darauf antworten. So versuche ich einen Eindruck zu bekommen, ob sie wissen, wovon sie reden oder nicht.

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Seedmatch: Privatpersonen haben erst durch Crowdfunding die Möglichkeit bekommen, auch mit Mikroinvestments in Startups zu investieren. Wie hat diese Anlageform dein eigenes Investmentverhalten verändert?

Jörg Diehl: Ich wollte eigentlich schon immer einen Teil meines Geldes in Startups investieren, allerdings waren für mich die Hürden, in VC Fonds etc. zu investieren einfach zu hoch. Was mich besonders an dem Thema reizt, ist die Tatsache, dass man hier einen direkten, persönlichen Kontakt zu den Gründern herstellen kann. In welcher anderen Anlageform, kann man z. B. direkt mit einem Gründer reden, bevor man seine Investment Entscheidung trifft? Es macht mir großen Spaß, die Unternehmen, in die ich investiert habe, zu beobachten und zu schauen, wie sie wachsen, erfolgreich werden, Arbeitsplätze schaffen und schließlich den Break-even erreichen und Gewinne erwirtschaften. In den letzten Jahren konnte ich zu einigen Gründern einen relativ engen Kontakt herstellen, durch den man sich regelmäßig austauscht und auch Feedback zu neuen Produkten, Dienstleistungen etc. geben kann, um dem Unternehmen weiter zu helfen. Das macht mir sehr viel Spaß.

 

Seedmatch: Das Thema Risiko und Totalverlust: Wie sehr prägt es deine Investmententscheidungen? 

Jörg Diehl: Zunächst einmal muss ich sagen, dass man sich ganz konkret mit dem Risiko eines Totalverlusts auseinandersetzen sollte, bevor man in ein Startup investiert. Leider ist es wahrscheinlicher, dass ein Startup Insolvenz anmelden muss, als dass es erfolgreich wird und einen großen Exit erreichen kann. Mit diesem Risiko sollte man also einfach rechnen, bevor man in diese Anlageform investiert. Die Hoffnung ist allerdings auch, dass die einzelnen Plattformen vorher ihre Projekte gut auswählen, damit die Ausfallquote möglichst klein gehalten wird. Im Laufe der Zeit, wenn man schon an einigen Insolvenzen beteiligt war, wird man schon etwas vorsichtiger und versucht den Unternehmen zu helfen, dass sie Fehler vermeiden, die andere Unternehmen in die Insolvenz getrieben haben. Was ich bedauerlich finde, ist die Tatsache, dass es für den Fall einer Insolvenz keine klaren Verhaltensmuster für den Crowdinvestor gibt. Die einen Insolvenzverwalter bitten darum, seine Forderungen anzumelden, andere schließen dies kategorisch aus. Hier besteht noch relativ großer Verbesserungsbedarf und ich würde mir wünschen, dass Investoren offen und transparent darüber aufgeklärt werden, welche Schritte sie unternehmen müssen, wenn es zu einer Insolvenz kommt.

 

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Seedmatch: Was sagst du zu den aktuellen Bereichsausnahmen für das Crowdfunding im Kleinanlegerschutzgesetz? Fühlst du dich als Investor durch die Maßnahmen ausreichend vor dem Risiko des Totalverlustes geschützt?

Jörg Diehl: Das sogenannte Kleinanlegerschutzgesetz bereitet mir im Moment sehr große Bauchschmerzen. Ich frage mich, wovor ich eigentlich geschützt werden soll. Als mündiger Bürger habe ich mein Geld sauer verdient und auch voll versteuert. Dabei bekam ich keinerlei Hilfestellung von meiner Regierung oder vom Verbraucherschutz, wie genau ich mein Geld verdienen soll. Nun möchte ich auch bitteschön selbst entscheiden, wie ich mein verdientes Geld ausgeben und investieren will.

Die Banken mit ihren ganzen Finanzprodukten haben in den letzten Jahren leider mein Vertrauen verspielt. In „grundsoliden“ Aktienanlagen habe ich im Laufe der letzten Jahre auch tausende von Euro verloren, genau wie ich sie gewonnen hatte. Das Thema Kleinanlegerschutz geht für mich absolut am Thema vorbei. Man will die Anleger vor Pleiten, wie beispielsweise bei PROKON, schützen. Dabei muss man aber auch bedenken, dass PROKON einen ausführlichen Anlageprospekt erstellt hatte. Eine solche Pleite kann auch durch die geplante Regulierung nicht verhindert werden.

Man behauptet, dass man die Kleinanleger mit diesem Gesetz schützen will. In Wahrheit will man mir durch dieses Gesetz vorschreiben, dass ich z.B. nur noch 1.000 Euro investieren darf, wenn mich ein Projekt besonders anspricht – ansonsten muss ich meine Vermögensverhältnisse offenlegen.

Auf der anderen Seite kann ich in jedem Shopping-Kanal im TV, im Online-Handel etc. tausende von Euro für Konsumwaren ausgeben. Was kommt als nächstes? Wenn ich mir ein Auto kaufe, muss ich dann auch den Staat um Erlaubnis fragen?

In einer Welt, in der viele Staaten die Innovationskraft ihrer Unternehmen stärken und die Bedingungen für die Finanzierung von innovativen Startups fördern wollen, fängt unsere Bundesregierung nun an Gesetze zu erlassen, die eine innovative, demokratische Finanzierungsform wie Crowdinvesting im Keim ersticken könnten. Mir fehlt hier absolut das Verständnis. In den USA hat Präsident Obama den JOBS ACT Title III geschaffen, womit ein strikt regulierter Markt für private Anleger geöffnet werden soll, um die amerikanische Wirtschaft zu stärken. In Deutschland macht man gerade das Gegenteil, was ich sehr bedauerlich finde.

Ich möchte ja durch meine Investments gerade dazu beitragen, dass in meiner Heimat Innovationen gefördert, dadurch Arbeitsplätze geschaffen und die gesamte Wirtschaft gestärkt wird. Durch die Maßnahmen des sogenannten Kleinanlegerschutzgesetzes, werde ich am Ende gezwungen, mein Geld im Ausland zu investieren, wo mir dies möglich gemacht wird. Am Ende stärke ich die dortige Wirtschaft – das kann einfach nicht im Sinne unserer Regierung sein, oder?

 

Seedmatch: Jörg, wir danken dir für deine Zeit. Wir wünschen dir viel Erfolg für deine bisherigen und weiteren Investments.

 

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1 Comment

  1. klaus-martin meyer
    4. Dezember 2014

    Die Regierung im UK zeigt, dass man mit dem Thema auch anders umgehen kann: http://crowdstreet.de/2014/12/04/uk-regierung-macht-vor-wie-es-geht-und-investiert-auf-crowdfunding-plattform/

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