„Unsere Technologie bietet die Perspektive, ein äußerst breites Spektrum an Krankheiten behandeln zu können“

Am Donnerstag startet das Crowdfunding von Rodos Biotarget. Das Biotech-Unternehmen will mit seinen Produkten die Medikamentengabe effizienter gestalten. So sollen Krankheiten gezielter bekämpft und gleichzeitig Nebenwirkungen verringert werden. Wir haben mit den Co-Gründern Dr. Marcus Furch (CEO) und Dr. Robert Gieseler-von der Crone (CSO) über die Besonderheiten ihrer biotechnologischen Entwicklungen gesprochen.

Seedmatch: Rodos Biotarget entwickelt ein „Navigations-System für Medikamente“ – was verbirgt sich dahinter, Dr. Furch?

Dr. Marcus Furch: Wir haben kleine, wenige Nanometer große Kügelchen entwickelt, auf deren Oberfläche wir winzige Moleküle aufbringen, die wir als Ziel- oder Targeting-Liganden bezeichnen. Diese Liganden verhalten sich wie ein Navigationssystem, denn sie bestimmen den Zielort, zu dem die Kügelchen gezielt geleitet werden. Als Zielort wählen wir bestimmte Zellen im Organismus, die mit einer Krankheit irgendwie im Zusammenhang stehen. Beladen wir die Kügelchen mit Wirkstoffen, die zur Behandlung der Krankheiten erforderlich sind, dann übernehmen unsere Kügelchen die Funktion eines Nanotransporters.

Die Fracht, das können ganz unterschiedliche Wirkstoffe sein, gelangt so zu den Zielzellen. Momentan steuern wir über die verschiedenen Liganden Zellen in einem bestimmten Organ wie die Leber oder im zentralen Nervensystem an. Ebenso können bestimmte Zellen des Immunsystems oder Krebszellen das Ziel sein. Unsere Nanotransporter nennen wir im Übrigen „TargoSpheres“.

Eine Behandlung wird konkret so aussehen, dass die geeignete TargoSphere-Variante mit einem passenden Wirkstoff beladen wird, um gezielt die erkrankte Zelle behandeln zu können. Daraufhin muss die Nanotransporter-Wirkstoff-Kombination auf dem geeignetsten Weg verabreicht werden. Das kann, je nach Krankheit und Ort der Erkrankung, z. B. oral in Form einer Kapsel, über die Vene oder unter die Haut erfolgen.

Dr. Gieseler-von der Crone (CSO) und Dr. Furch (CEO), Co-Gründer von Rodos Biotarget.
Dr. Gieseler-von der Crone (l.) und Dr. Furch (r.), Co-Gründer von Rodos Biotarget.

 

Seedmatch: Welche Krankheiten können mithilfe der Technologie von Rodos Biotarget behandelt werden? Wie soll die Behandlung ablaufen? Bleiben Rückstände der TargoSpheres im Organismus?

Dr. Robert Gieseler-von der Crone: Die TargoSphere-Technologie bietet die Perspektive, ein äußerst breites Spektrum an Krankheiten behandeln zu können. Um dies nachvollziehen zu können, muss ich etwas weiter ausholen. Ganz allgemein lassen sich Krankheiten auf sechs Hauptursachen zurückführen lässt:

  1. Schäden des Erbguts;
  2. Schäden, die durch Infektionserreger – also Viren, Bakterien, Pilze oder Protozoen – verursacht werden;
  3. Stoffwechselerkrankungen – wie z. B. die Fettleber – infolge einer ungesunden Lebensweise;
  4. Krebserkrankungen, bei denen normale Körperzellen aus der globalen Regulation des Körpers ausscheren;
  5. Autoimmunerkrankungen, bei denen unser Abwehrsystem unseren eigenen Körper bekämpft und
  6. degenerative Erkrankungen, die auf den Alterungsprozess, auf Verschleiß und auf schleichende, chronische Vergiftungen zurückgehen. Diese können so unterschiedlich wie etwa die Alzheimererkrankung oder die Gelenkarthrose sein.

So vielfältig und komplex Erkrankungen aber im Einzelnen sind: für uns ist entscheidend, dass in der großen Vielfalt an Zellarten, aus denen sich unser Körper zusammensetzt, in aller Regel immer nur bestimmte Zellen betroffen sind. Wir kennen also die Zielzellen, die behandelt werden müssen. Und genau das wird durch die TargoSphere-Technologie ermöglicht. Da unsere Technologie auf einem Baukastenprinzip beruht, sind wir prinzipiell in der Lage, jeden von einer Krankheit betroffenen Zelltyp gezielt zu erreichen.

Zum Thema „Rückstände“: TargoSpheres sind aus naturanalogen Komponenten aufgebaut. Das bedeutet, dass die Zellen des Körpers die Bestandteile dieser Nanotransporter ganz normal als Baustoffe oder Energielieferanten verwenden können. Nach unserem heutigen Kenntnisstand, belegt durch eine Reihe von Experimenten und Studien, werden TargoSpheres rückstandslos abgebaut, nachdem sie den Wirkstoff abgeladen haben und die Abbauprodukte sogar wie beschrieben verwendet.

Die TargoSpheres von Rodos Biotarget.
Schematische Darstellung der TargoSpheres von Rodos Biotarget.

 

Seedmatch: Die Entwicklung von Biotech-Produkten und Medikamenten ist sehr anspruchsvoll und langwierig. Woran liegt das?

Dr. Robert Gieseler-von der Crone: Ja, das ist unerfreulich, aber leider unvermeidbar. Denn an erster Stelle steht die Sicherheit des Patienten. Ist man also erfolgreich bis zum Stadium der klinischen Studien vorgedrungen, wird zunächst die Sicherheit der neuartigen Behandlung an gesunden Probanden getestet. Und nur ein im Rahmen der medizinischen Verhältnismäßigkeit von Nutzen und Risiko hinreichend sicheres Produkt darf daraufhin weiterentwickelt werden.

Aber bis zum klinischen Stadium liegt bereits ein langer Entwicklungsweg hinter dem entstehenden Produkt: von etwa 10.000 anfänglichen Entwicklungskandidaten schaffen es statistisch circa fünf bis zur klinischen Testung, und am Ende wird ein einziger Wirkstoff behördlich für den Markt zugelassen. Dies ist also ein sehr selektiver Prozess, in dessen Verlauf 99,99 % der Kandidaten auf der Strecke bleiben. Das ist naturgemäß zeitaufwändig. Und die behördlichen Vorgaben werden immer anspruchsvoller. Aber das ist nur gut und richtig, um den Patienten letztendlich die sicherste und bestmögliche Behandlung anbieten zu können.

 

Seedmatch: An welchem Punkt steht Rodos Biotarget? Welche Risiken bei der weiteren Entwicklung bis zur Marktreife und -zulassung gibt es?

Dr. Marcus Furch: Wir haben diesen langen Weg, den mein Kollege eben erwähnte, bereits zu einem wesentlichen Teil hinter uns gebracht und stehen mit dem ersten TargoSphere-Produkt vor Beginn der klinischen Testung. In der ersten klinischen Studie testen wir die Verteilung von TargoSpheres und möglicherweise zusätzlich eines Testwirkstoffes, beispielsweise eines bekannten Antibiotikums im menschlichen Körper. Gleichzeitig prüfen wir die Sicherheit der TargoSphere-Nanotransporter in gesunden Probanden. Wir wollen die Ergebnisse, die wir zuvor in Zell- und Tierexperimenten gesehen haben, im Menschen bestätigen. Damit hätten wir die Ziele einer klinischen Studie der Phase I erreicht.

Hiernach verzweigt sich das mögliche klinische Entwicklungsprogramm. Aufbauend auf diese erste Studie wollen wir eigen Anwendungsstudien in Patienten – eben mit Antibiotika zur Behandlung von resistenter Tuberkulose – und auch mit einem neuartigen antiviralen Wirkstoff zur Behandlung von viralen Infektionskrankheiten wie HIV. Diese Patientenstudien bezeichnet man allgemein als klinische Studien der Phase II.

Um den Eindruck zu vermeiden, wir sind mit TargoSphere nicht auf Infektionskrankheiten beschränkt. Die Ergebnisse aus der Phase I werden nämlich auch für Kunden und Entwicklungspartner aus der pharmazeutischen Industrie von großem Interesse sein. Denn anhand dieser Ergebnisse können wir Studien planen, bei denen wir TargoSphere mit den Wirkstoffen der Partner einsetzen. Die Wirkstoffe können unterschiedlicher Natur sein und der Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten dienen.

Nach Phase-II-Studien in Patienten folgen Phase-III-Studien, in denen die Wirkung einer neuen Therapie im Vergleich mit bestehenden Therapieoptionen in statistisch relevanten Patientenzahlen behaupten müssen. Entwicklungsrisiken bestehen in jeder Phase. Wir überlassen die Durchführung der klinischen Studien unseren Partnern aus der pharmazeutischen Industrie, die über die notwendige Erfahrung im Umgang mit Entwicklungsrisiken haben. Unser eigenes Entwicklungsrisiko können wir dadurch mildern, indem wir versuchen, TargoSphere-Nanotransporter über einen Portfolioansatz in viele Anwendungen und Therapieentwicklungen zu verteilen. Ganz ausschließen können wir es jedoch nicht.

Seedmatch: Generiert das Unternehmen denn heute schon Umsätze oder liegt das Potenzial allein in der Zukunft?

Dr. Marcus Furch: Ja, das tun wir. Das ist nicht selbstverständlich für ein Biotechnologieunternehmen in unserem Entwicklungsstadium. Wir generieren Umsätze aus Entwicklungskooperationen, in denen wir das Anwendungspotenzial für unsere Nanotransporter in Zell- und Tierstudien untersuchen. Zudem erlösen wir Einnahmen aus öffentlich geförderten Projekten. Unsere Einnahmen liegen jährlich im sechsstelligen Euro-Bereich.

Gleichzeitig investieren wir auch selbst in Experimente und Studien. Hierfür setzen wir Finanzierungsrunden mit privaten Investoren und Venture-Capital-Fonds auf. Der kommerzielle Durchbruch mit steigenden Einnahmen erwarten wir, wenn TargoSphere durch die industriellen Partner kommerziell genutzt wird. Mit der Durchführung der geplanten ersten klinischen Studie wollen wir genügend Argumente für diesen Durchbruch erhalten.

 

Seedmatch: Um die Unternehmensziele zu erreichen, braucht es ein interdisziplinäres Team. Wie ist Rodos Biotarget hier aufgestellt?

Dr. Robert Gieseler-von der Crone: Um die Entwicklungskosten so gering wie möglich zu halten, arbeiten wir bewusst mit einem kleinen Management-Team. Wir decken mit unseren komplementären Qualifikationen die Bereiche Strategie und Geschäftsentwicklung, Sicherung des intellektuellen Eigentums, präklinische und klinische Entwicklung sowie Marketing ab.

Die Qualität der Produktentwicklung leidet aber nicht unter dieser schlanken Struktur, denn seit der Gründung der Rodos Biotarget haben wir uns stets umfangreiche zusätzliche Expertise durch externe Spezialisten bei pharmazeutischen Dienstleistern und in akademischen Kooperateuren an Bord geholt. Diese Expertise umfasst unter anderem das Fachwissen und die Erfahrung zu den verschiedenen medizinischen Indikationen – das wir unmöglich in der erforderlichen Breite und Tiefe im Managementteam einbringen könnten –, den behördlichen regulatorischen Erfordernissen und den komplexen Voraussetzungen für die Herstellung unserer Produkte nach höchsten Qualitätsstandards und im großen industriellen Maßstab.

 

Lesen Sie jetzt Teil 2 des Interviews mit den Co-Gründern von Rodos Biotarget oder…

 

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Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.

5 Comments

  1. Hellfire
    12. Juli 2016

    Frage zum Stichwort: „Nanokügelchen“
    Ihre Idee ist sehr schick, zugegeben. Was passiert aber mit diesen Nanokügelchen, nachdem sie ihre Arbeit getan haben? Werden sie vom Körper ausgeschieden oder neutralisiert, sprich im Körper abgebaut? Wenn sie ausgeschieden werden, sind diese biologisch abbaubar oder prinzipiell „Sondermüll“ um den sich dann Kläranlagen mitteln Filteranlagen kümmern müssen?
    Die Frage kommt daher, dass die Umweltbelastung durch nicht abbaubaren (Plastik-)Müll zunimmt. Aktuell werden auch Zahnpasten mit Mikrogranulat in Frage gestellt, weil dieser nicht abbaubar. Auch existiert eine Gewisse Skepsis bezüglich „Nanopartikeln“ im generellen, da eine Interaktion (physikalisch/chemisch) in anderen Kontexten nicht geklärt ist, somit die Frage einer Kontamination meines Wissens nicht beantwortet wurde. Besten Dank für Ihre Antwort im Voraus.

    Antworten
    1. Tobias Körner
      13. Juli 2016

      Hallo Hellfire,

      ein berechtigter Punkt – deswegen habe ich im Gespräch auch schon nachgefragt, was das Thema „Rückstände“ angeht. Dr. Gieseler-von der Crone sagte dazu:

      „TargoSpheres sind aus naturanalogen Komponenten aufgebaut. Das bedeutet, dass die Zellen des Körpers die Bestandteile dieser Nanotransporter ganz normal als Baustoffe oder Energielieferanten verwenden können. Nach unserem heutigen Kenntnisstand, belegt durch eine Reihe von Experimenten und Studien, werden TargoSpheres rückstandslos abgebaut, nachdem sie den Wirkstoff abgeladen haben und die Abbauprodukte sogar wie beschrieben verwendet.“

      Beste Grüße
      Tobias Körner
      Corporate Communications bei Seedmatch

      Antworten
      1. Hellfire
        13. Juli 2016

        Besten Dank für Ihre schnelle und gehaltvolle Antwort.

        Antworten
  2. Wolfgang Wittmann
    1. November 2016

    Hallo Herr Dr. Körner,

    was ist das Einzigartige an Ihrer Erfindung, das die Idee/Produkt von den Mitbewerbern unterscheidet?

    Gruß
    Wolfgang Wittmann

    Antworten
    1. Tobias Körner
      3. November 2016

      Hallo Herr Wittmann,

      vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst: Ich selbst bin kein „Dr.“, sondern habe hier lediglich die Herren Dr. Robert Gieseler-von der Crone und Dr. Marcus Furch von Rodos Biotarget interviewt.
      Detaillierte Informationen zu den Themen „Produkt“ und „Markt und Wettbewerb“ finden Sie im Businessplan des Biotech-Startups (nach Login).

      Viele Grüße
      Tobias Körner
      Corporate Communications bei Seedmatch

      Antworten

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