Kleinanlegerschutz: Regulierung für oder gegen die Crowd?

In Sachen Kleinanlegerschutz bewegen wir uns nun auf die sehr finale Runde zu: Am Freitag fand die erste Lesung im Bundestag statt. Bisher hatten Bundesrat und die Ausschüsse die Möglichkeit, ihre Änderungsvorschläge für das Gesetz vorzulegen. Die nun stattfindenden Lesungen werden relativ bald entscheiden, in welche Richtung sich das Gesetz entwickelt und welche Auswirkungen es konkret auf die Branche haben wird.

Wir haben bereits an anderer Stelle eine Auswertung der einzelnen Punkte des Gesetzesentwurfs vorgenommen. In der derzeitigen Diskussion um das Kleinanlegerschutzgesetz zeigt sich eines jedoch besonders deutlich: Das Gesetz kann niemals das schaffen, was von allen Seiten gefordert wird – Anlegerschutz mit gleichzeitiger Förderung der Crowdfundinglandschaft plus der deutschen Wagniskapitalkultur. Alles in einem Gesetz vereinen zu wollen, scheint nicht möglich, weil die unterschiedlichen Interessen kaum abzubilden sind. Stark getrieben vom Verbraucherschutz konzentriert man sich also per Definition auf den Schutz der Anleger. Die derzeitig vorliegende Version des Gesetzes wird allerdings dafür sorgen, dass die anderen beiden Seiten unter die Räder kommen.

Wie sinnvoll ist die Regulierung?

Natürlich halten wir es nach wie vor für sinnvoll und begrüßenswert, dass es regulatorische Verbesserungen für mehr Transparenz und Anlegerschutz auf dem grauen Kapitalmarkt geben soll. Der vorliegende Gesetzesentwurf zum Kleinanlegerschutz und die darin enthaltenen Ausnahmen für crowdfinanzierte Unternehmen werden aber die Finanzierungsmöglichkeiten für Startups sehr stark einschränken. Kleinanlegerschutz

Zu welchem Preis wollen wir den Anleger schützen? Und vor allem: Welche Maßnahmen schützen ihn wirklich? Dass Prokon einer der Auslöser der derzeitigen Bestrebung ist, ist schon oft diskutiert worden. Dass Prokon einen Prospekt hatte, und Anleger dennoch sehr viel Geld verloren haben, auch. Die Frage ist also, in welchem Maße Prospekte Anleger wirklich schützen können. Sollte es darum gehen, einheitliche Spielregeln für die Plattformen zu formulieren, wären wir sofort dabei. Wenn gesetzlich klar definiert wird, wie ein Investmentangebot konkret auszusehen hat, was genau in den Risikohinweisen zu stehen hat etc., dann weiß der Anleger sehr genau, was ihn auf den Plattformen erwartet. Aber wird ein Prospekt dieser Schutzpflicht gerecht?

Stellen wir uns vor, der Gesetzesentwurf kommt so, wie er derzeit vorliegt. Welche Auswirkungen hätte er auf Startups und Investoren?

Szenario I:

Startup X hat eine kostenintensive weil IT-lastige Unternehmung und einen Kapitalbedarf von ca. 2-3 Mio. Euro. Bei Startups ist der Kapitalbedarf in der Regel sehr akut.

Laut vorliegendem Entwurf soll es nun einen Emissionsprospekt erstellen. Die Kosten dafür sind immens, zwischen 20.000 und 50.000 Euro – der zeitliche Aufwand ebenfalls. Und das, ohne zu wissen, wie viel Kapital das Startup am Ende tatsächlich einsammeln wird, geschweige denn, ob das Funding überhaupt erfolgreich ist. Geld, das das Startup in der Regel eher braucht als es hat wird also schon in den sehr intensiven Prozess der Prospekterstellung fließen.

Nehmen wir an, das Startup schafft es, den Prospekt zu finanzieren und ein erfolgreiches Crowdfunding durchzuführen. Was, wenn sich der Markt anders entwickelt als gedacht. Wenn die Kunden doch nur Nachfrage für einen Zweig des Modells zeigen aber nicht für einen anderen, wenn der Wettbewerb eine interessante Nische besetzt und das Startup entsprechend seine Unternehmensstrategie ändern muss. Dann ist es dem Startup so ohne Weiteres nicht möglich dies zu tun, ohne erneut Geld für einen Nachtrag ausgeben zu müssen. Startups sind junge Unternehmen die maximale Flexibilität benötigen, um wachsen zu können. Deshalb sind Prospekte für Startup-Finanzierungen denkbar ungeeignet. Im schlechtesten Fall werden sich Startups zukünftig sehr genau überlegen, ob Crowdfunding für sie noch interessant ist.

Szenario II:

Künftig sollen Investoren, die über 1.000 Euro investieren wollen, eine Selbstauskunft abgeben, die bestätigt, dass sie über ausreichend Kapital verfügen. Investoren, die höhere Beträge investieren, sind für den Erfolg von Crowdfunding-Kampagnen essentiell und machen einen Großteil der am Ende gefundeten Summe aus, etwa 50 bis 70 Prozent.

Wie eine aktuelle Umfrage der BITKOM zeigt, sind Investoren allerdings nicht zu einer Selbstauskunft bereit. Auch das Ausdrucken und Unterschreiben des Vermögensanlagen-Informationesblattes stellt eine große Hürde dar, die sie nur ungern nehmen wollen, bzw. können, denn 17 % der befragten Investoren haben nichtmal mehr einen Drucker zu Hause.

Was wird passieren: Sie wenden sich vom Crowdfunding ab – zumindest vom deutschen Crowdfundingmarkt. Den Kleinanleger, um den es also geht, werden die Bereichsausnahmen für Schwarmfinanzierungen möglicherweise dazu bringen, genau dort nicht mehr investieren zu wollen. Ist das wirklich das Ziel der Bundesregierung?

Wo wird die Reise hingehen?

Beide Entwicklungen sind sehr schwarz gemalt – zugegeben. Aber wenn der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form verabschiedet wird, werden die Einschnitte für die noch junge Crowdfunding-Branche sehr gravierend sein. Wir wünschen uns daher einheitliche Instrumente, Anreize und Rahmenbedingungen, um zum einen innovativen Startups und Wachstumsunternehmen einen besseren Zugang zu Risiko- und Wachstumskapital zu verschaffen und zum anderen Privatinvestoren Investments in spannende Innovationen in Zukunft auf einem komfortablen Weg und transparente Art und Weise zu ermöglichen. Dazu müsste aber im Grunde eine eigene Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht werden. Die Frage ist, ob das noch so ohne Weiteres möglich sein wird, wenn das Kleinanlegerschutzgesetz erstmal verabschiedet ist.

Wir werden die Entwicklungen natürlich sehr genau beobachten. Zusammen mit anderen Plattformen, Gründern wie auch Investoren, sind wir im German-Crowdfunding-Network organisiert. Dort wurde ein offener Brief an die Mitglieder des Bundestages verfasst. Interessierte haben die Möglichkeit, diesen offenen Brief noch zu unterzeichnen: Hier gelangen Sie zur Unterschriftenliste.

4 Comments

  1. Thorsten Weigand
    26. Februar 2015

    Hallo zusammen,

    meiner Meinung nach ist dieser ganze Doku-Mist für
    die Füße!
    Wofür es meiner Meinung nach dringend eine Lösung
    geben muss, ist ein transparenter Ablauf einer Insolvenz.
    D.h. die im Investmentvertrag aufgeführten Pflichten
    gehen im Falle einer Insolvenz auf den Insolvenzverwalter
    über. Es kann nicht sein, dass ich für Informationen dem Insolvenzverwalter hinterherlaufen muss!

    Zweitens muss das Steuerrecht bzw. diese elendige Abgeltungsteuer angepasst werden: Wie kann der Gewinn von
    Startup A nach 7 Jahren mit den Verlusten der
    Startups B, C und D im ersten Jahr verrechnet werden?!
    Um eine Startup Kultur zu fördern, die laut allen Politikern
    ja äußerst wünschenswert ist, sollte man die Abgeltungssteuer für Crowdfunding generell abschaffen.

    Das würde die Kleinanleger und die Startups schon mal einen Schritt weiterbringen…

    Grüße
    TW

    P.S.
    Warum initiieren / koordinieren CF-Plattformen nicht mal eine entsprechende Petition?!

    Antworten
  2. U. A.
    27. Februar 2015

    Bei dem Schutz der Kleinanleger stellt sich doch zunächst einmal die Frage, vor wem sie geschützt werden sollen: vor fragwürdigen Projekten oder vor der eigenen Gier.
    Ich sehe überhaupt keinen Grund, die Leute vor sich selber zu schützen.

    Damit geht es noch um Projekte, bei denen derjenige, der sich um das Geld bemüht, nicht alles relevante offen gelegt hat, bzw. mit fragwürdigen Annahmen jongliert hat, um gute Zahlen präsentieren zu können. Wenn sich nachweisen läßt, das mit betrügerischer Absicht falsche Behauptungen aufgestellt wurden, dann wäre es hilfreich, wenn für die Kleinanleger beizeiten ein Teil der Vermögensmasse bereitgestellt wird, um diese zumindest etwas zu entschädigen. Diese Besserstellung der Kleinen im Fall einer Insolvenz wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

    Antworten
  3. Stefan
    2. März 2015

    Ich bin zwar grundsätzlich auch gegen Überregulierung, aber Seedmatch hat selbst Benzin ins Feuer gegossen. Wenn die Bundesregierung das über eine Prospektpflicht realisieren will, ist das aus meiner Sicht völlig berechtigt.

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  4. U.A.
    17. April 2015

    laut dieser Meldung: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Freiraum-fuer-die-Crowd-Koalition-arbeitet-Kleinanleger-Gesetz-nach-2611871.html tut sich ja doch was.
    Gut finde ich, das (falls das so umgesetzt wird, was ja noch keinesfalls sicher ist) ein Investment auch in Zukunft online möglich ist, ohne das tote Bäume durch die Gegend geschickt werden müssen.

    Bleibt abzuwarten, was am Ende tatsächlich bei raus kommt.

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