Die Crowdfunding-Regulierung kommt – unser Statement

Am 22. Mai 2014 wurde von der Deutschen Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern vorgestellt. Darin hat die Regierung ausdrücklich erwähnt, den „Anliegen der mit Crowd-Investitionen finanzierten jungen Unternehmen unter Berücksichtigung der Belange des Anlegerschutzes gerecht zu werden“. Ob dies im jetzt vorgelegten Entwurf so ist, zeigt unsere Analyse.  

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Der vorgelegte Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes, der vergangene Woche veröffentlicht wurde, soll dieses Maßnahmenpaket nun umsetzen. Im Wesentlichen geht es laut Bunderegierung darum, die Transparenz von Vermögensanlagen auf dem grauen Kapitalmarkt weiter zu erhöhen, um einem Anleger vollständige und zum Anlagezeitpunkt aktuelle Informationen über die Vermögensanlage zu verschaffen. „Damit soll der Anleger die Seriosität und die Erfolgsaussichten einer Anlage einschätzen sowie eine informierte und risikobewusste Entscheidung treffen können“, heißt es.

Bei dem Maßnahmenpaket und dem vorgelegten Gesetzesentwurf  handelt es sich leider nicht um eine vollwertige Crowdfunding-Regulierung, wie man sie etwa aus Großbritannien kennt. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen vor allem fortbestehende Regelungslücken auf dem grauen Kapitalmarkt geschlossen werden, um insbesondere Fälle wie Prokon zukünftig zu vermeiden. Damit Crowdfunding im Rahmen der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht unter die Räder kommt, werden u. a. gewisse Ausnahmeregelungen vorgeschlagen.

Grundsätzlich sind wir bei Seedmatch darüber erfreut, dass es eine Verbesserung der Gesetze für mehr Transparenz und Anlegerschutz  auf dem grauen Kapitalmarkt geben soll. Die Vorschläge der Ministerien sind ein erster Anfang in Richtung Crowdfunding-Regulierung, aber müssen insbesondere in den folgenden Punkten noch deutlich nachgebessert werden:

  1. Crowdfunding-Ausnahmen im Vermögenanlagegesetz:
    • Grundsätzlich sollen nun auch partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen unter die Wertpapierprospektpflicht fallen. Bislang galten hier Ausnahmen, weswegen Startups bei Seedmatch bisher keinen Prospekt veröffentlichen mussten. Allerdings ist eine Ausnahme ausschließlich für partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen vorgesehen, wenn „der Verkaufspreis sämtlicher von dem Emittenten ausgegebener Vermögensanlagen 1 Mio. Euro und der Gesamtbetrag der erworbenen Anteile je Anleger 10.000 Euro nicht überschreitet.”
    • Unsere Meinung: Der vorliegende Gesetzesentwurf orientiert sich leider nur an den aktuellen Gegebenheiten und lässt eine umfassende Einordnung und vorrauschauende Gestaltung von Crowdfunding als neuer Finanzierungsart komplett vermissen. Die vorgeschlagenen Crowdfunding-Ausnahmen für partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen sollten konsequenterweise auf alle Vermögensanlagen ausgedehnt werden. So schreibt auch die renommierte Anwaltskanzlei Osborne Clarke in ihrer lesenswerten Analyse: „Während das gesamte VermAnlG sämtliche Arten von Vermögensanlagen gleich behandelt, soll nun ausgerechnet im Bereich Crowdfunding eine Differenzierung erforderlich sein – dies widerspräche jeder Gesetzessystematik. Auch aus Gründen des Anlegerschutzes erscheint diese Unterscheidung nicht sinnvoll.“
  1. Begrenzung auf 1 Mio. Euro aus der Crowd:
    • In Zukunft können Gründer oder Projektbetreiber per Crowdfunding de facto maximal 1 Mio. Euro Kapital einsammeln. Das heißt auch: Keine Anschlussfinanzierungen mehr, wenn diese Summe bereits ausgeschöpft und noch nicht vollständig getilgt wurde.
    • Unsere Meinung: Diese vorgeschlagene Grenze von 1 Mio. Euro ignoriert sowohl den durchschnittlich deutlich höheren Kapitalbedarf von innovativen Startup- und Wachstums-Unternehmen, als auch die Maßgabe der europäischen Prospektrichtlinie, die eine zwingende Prospektpflicht erst für Angebote ab 5 Mio. Euro vorsieht. Zum Vergleich: Andere europäische Länder (z. B. England und Italien) haben diesen Schwellenwert übernommen oder sich zumindest hieran orientiert und – im Vergleich zu Deutschland – deutlich höhere Werte angesetzt (z. B. die Niederlande und Schweden, die eine Grenze von 2,5 Mio. Euro setzen).
  1. Bürokratie des Vermögensanlageninformationsblatts:
    • Sobald sich ein Anleger mit mehr als 250 Euro an einem Funding beteiligt, muss das Unternehmen ihm ein sog. Vermögensanlageninformationsblatt („VIB“) zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich um eine stark formalisierte, maximal drei DIN-A4-Seiten umfassende, zusammenfassende Darstellung der Vermögensanlage. Der Inhalt ist gesetzlich vorgeschrieben und darf insbesondere keinen werblichen Inhalt haben.
    • Unsere Meinung: Dass Anleger ab Beträgen ab 250 Euro ein Papier-Dokument unterschreiben und einsenden sollen, führt beim Crowdfunding, das ausschließlich online stattfindet, zu einem nicht akzeptablen Medienbruch. Hier müssen andere, zeitgemäßere Lösungen gefunden werden, wie z. B. gesetzeskonforme elektronische Unterschriften, die z. B. auch auf den Plattformen integriert werden könnten.
  1. Werbeeinschränkungen für Crowdfunding:
    • In Zukunft soll Werbung für Vermögenanlagen nur noch in Medien erfolgen, „deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt“. Als Beispiele für zulässige Medien wird z. B. der Wirtschaftsteil einer Tageszeitung oder eines Nachrichtenmagazins genannt. Werbemaßnahmen, „bei denen aufgrund ihres unspezifischen Verbreitungs- und Adressatenkreises überhaupt kein inhaltlicher Kontext feststellbar ist“, sollen hingegen verboten sein.
    • Unsere Meinung: Crowdfunding ist ein Internetphänomen und richtet sich ganz bewusst an die Masse – die Crowd. Alle großen Crowdfunding-Plattformen im In- und Ausland arbeiten aktiv in Social Media und brauchen Sichtbarkeit bei Google – dort, wo man die Masse erreicht, denn nur mit ihr kann aus einem Funding ein Crowdfunding werden. Die vorgeschlagenen Werbeeinschränkungen laufen diesem Grundgedanken zuwider. Es sollte vielmehr eine dem britischen Modell nachempfundene Form der „Authorisierung” des Anlegers  eingeführt werden: Hier wird die Eignung des Anlegers für die jeweilige Anlagenklasse anhand seiner Vermögensverhältnisse und seiner Erfahrungen direkt auf der Plattform z. B. in Form eines Fragebogens festgestellt.

Ganz grundsätzlich fordert Seedmatch eine einheitliche Crowdfunding-Regulierung in ganz Europa, die sich in mancher Hinsicht an dem britischen Modell orientieren könnte, sowie neue, einheitliche Instrumente, Anreize und Rahmenbedingungen, um zum einen innovativen Startups und Wachstumsunternehmen besseren Zugang zu Risiko- und Wachstumskapital zu verschaffen und zum anderen Privatinvestoren Investments in spannende Innovationen in Zukunft auf einem komfortablen Weg und transparente Art und Weise zu ermöglichen. Seedmatch wird den Prozess weiter beobachten und darüber im Seedblog berichten.

8 Comments

  1. Uwe Anger
    5. August 2014

    Grundsätzlich gehen die bisherigen und vorbereiteten Gesetzesinitiativen an einem tatsächlichen Anlegerschutz vorbei.
    Beim VIB ist es übrigens nicht erforderlich, dass der Anleger dazu etwas unterschreibt. Dieses muss nur wirksam zugestellt sein, was auch in elektronischer Form erfolgen kann. Das ist ja jetzt bei seedmatch auch schon mit AGB so gelöst.
    Ihr seid also auf dem richtigen Weg, wie bei Hase und Igel, Ihr seid der Igel und könnt immer sagen- ich bin schon da. :-).
    Leider ist und bleibt Politik und damit Gesetzgebung Machtinstrument der herrschenden Klasse. Ein Schelm, der böses dabei denkt.
    In diesem Sinne- mit seedmatch arbeiten wir ja schon an der Veränderung der herrschenden Stelle.
    Uwe Anger
    Honorarberater

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    1. Horst Kurzweil
      2. Dezember 2014

      Nun es ist doch klar, dass die Lobby das Crodfounding verbieten lassen will. Hier handelt es sich ja schließlich um das Geschäft von Banken und natürlich möchte auch die Industrie keine Quereinsteiger. Das könnte ja das eigene Geschäft versauen. Natürlich wird der Regierungsklüngel der ja offensichtich ausschließlich diese Lobby vertritt, das ist wohl moderne Demokratie, entsprechende Gesetze erlassen.
      Schade Deutschland sollte mal eine Demokratie werden, aber dieser Traum ist wohl zu Gunsten des Kapitals schon lange aufgegeben worden

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  2. Wehrwolf
    7. August 2014

    Hört, hört,
    INNOVATION hier!! – alle schreien danach und schmücken sich damit, einschließlich der Regierung…und die industriellen Platzhirsche am lautesten, ohne außer PR-Blasen nachhaltig brauchbare Innovationen zu abzuliefern. Lieber baut man noch ein paar Arbeitsplätze ab, um die Anleger nicht mit schwindsüchtigen Bilanzen zu verprellen und verschiebt die dann ins billigere Ausland, verkaufen uns aber den Ramsch für teuer Geld, mit dem sie ihre Krakenlobby alimentieren – offenbar mit einigem Erfolg, um sich die womöglich echt innovativen, noch unregulierten Freibeuter vom Hals zu halten. Armes Deutschland! Wie sagte doch ein weiser Mann? Unsere Zivilisattion geht wohl nicht an Kriegen, Seuchen, Dürren, Sintfluten oder sonstigen Katastrophen zugrunde sondern erstickt eher an einer überbordenden Bürokratie.

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  3. Malish
    8. August 2014

    Hallo,

    das Anheben der Prospektflicht auf 1M€ würde doch wieder den Weg für Stille Beteiligungen frei machen?! Wie steht Seedmatch dazu? Nun gibt es ja keinen Grund mehr auf Nachrangige Darlehen zu setzen und echtes Eigenkapital ist immer besser für Anlegen als noch so gut ausgestaltete Darlehen…

    Ich wäre dafür!

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  4. Daniel Brückner
    23. August 2014

    Hallo,

    Regulierung wird immer als Böse dargestellt. Das ist schade. In vielen Fällen hat sie aber einen Grund. Firmen verhalten sich nicht so, wie sie sollten, halten sich z.B. nicht an Spielregeln. Oder sie tricksen hier ein bisschen, dort ein bisschen und da ein bisschen. Sodass der Kunde das Nachsehen hat.

    Die Crowdinvesting (nicht Crowdfunding) Plattformen, die ich bisher in Deutschland gesehen habe, hätten alle ein bisschen Regulierung notwendig. Statt nämlich einen der Grundpfeiler des Crowdfundings zu stärken, die „Wisdom of the Crowd“, konzentriert man sich darauf, möglichst alles schönzufärben oder durch die Startups selber schönfärben zu lassen.

    Absolutes „No go“ ist der Fakt, dass Fragen an die Startups nicht sofort veröffentlicht werden. Und ebenso ein „No go“ ist es, dass dies nicht klar und deutlich gekennzeichnet ist.

    Bei Companisto wurden meine Kommentare: siehe hier: http://www.toptestsieger.de/crowdinvestments-serioes-oder-heizdeckengeschaeft-companisto-myparfum/ sogar zensiert und gar nicht veröffentlicht. Das ist kein Einzelfall.

    Anderes Problem: die Informationen, die die Startups zur Verfügung stellen, sind dürftig. Nicht geeignet, um eine ordentliche Investitionsentscheidung zu treffen. Ihr müsstet Mindeststandards definieren, welche wichtigen Informationen enthalten sind. Das macht scheinbar keine Plattform.

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    1. Sabine Drotbohm
      26. August 2014

      Hallo Herr Brückner,
      wie wir in unserem Statement zur Regulierung schon sagten: Wir begrüßen die Regulierung ausdrücklich. Es muss sich aber um eine vollwertige Crowdfundingregulierung handeln und nicht, wie derzeit vorliegend, um einen Gesetzesentwurf mit Ausnahmen für das Crowdfunding, die im Übrigen an vielen Punkten an der Praxis vorbeigehen.

      Was bei anderen Plattformen mit Beiträgen oder Kommentaren passiert, können wir an dieser Stelle nicht beurteilen. Bei Seedmatch haben Sie jederzeit die Möglichkeit, dem Startup Ihre Fragen zu stellen. Beim Absenden der Frage bekommen Sie den Hinweis, dass sich die Bearbeitung verzögern kann und dass Ihre Frage zusammen mit der Antwort des Startups veröffentlicht wird. Eine gewisse Zeit der Beantwortung müssen wir den Startups jedoch zusprechen. Transparenz ist einer unserer wichtigsten Grundsätze. Wir sind immer bestrebt, auch die Startups dafür zu sensibilisieren, wie wichtig eine transparente Kommunikation ist und weisen sie auch unter Umständen auf unbeantwortete Fragen hin.

      Zu den Informationen, die zu den einzelnen Investmentchancen zur Verfügung stehen: Die Investmentstory sowie der Businessplan sind so angelegt, dass eine Risikoabwägung für oder gegen das Investment gegeben sein sollte. Wenn Sie an einer Stelle Informationen vermissen, können und sollten Sie diese jederzeit beim Startup nachfordern. Sie sollten grundsätzlich eine Investmententscheidung erst dann treffen, wenn Sie sich umfassend und ausreichend informiert fühlen.

      Beste Grüße,
      Sabine Drotbohm
      Corporate Communications bei Seedmatch

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  5. Matthias Hiegl
    19. Februar 2015

    Hallo liebe Mitstreiter,

    wir betreiben ein Gründerzentrum für Medizintechnik Startups und sehen seit 2 Jahren einen dramatischen Rückgang von Gründungen. Der Rückgang hat vielerlei Gründe aber einer ist sicherlich mangelndes Kapital.

    Auf Grund meiner Erfahrung braucht es dringend mehr Transparenz im Graubereich und eine klare Beschreibung der Risiken aber man muss in Zukunft dem mündigen Bürger das Recht geben über sein eigens Vermögen auch risikobereit und mit eine wenig Unternehmerherz bestimmen zu können.

    Zum Thema Markt muss man sich auch die Relationen vor Augen halten. Wenn wir 100 Unternehmen mit 10 Mio über die Crowd ausstatten, dann ist das eingestzte Kapital verschwindend gering in Relation zu den Gesamteinlagen bei den Banken und den üblichen Anlageformen.

    Als weiteren Punkt sollte man auch sehen wieviel Geld die Bundesregierung in den Aufbau und den Unterhalt von „Innovationsnetzwerken“ steckt. Aus meiner Sciht muss alles dafür getan werden, dieses Investment volkswirtschaftlich möglichst rentabel zu gestalten und die einzige Bemessungsgrundlage dafür sind Anzahl der geschaffen Unternehmen, deren Arbeitsplätze und steuerpflichtige Umsätze.

    Dementsprechnd unterstützen wir alle Akteure darin, crowdfunding weiter in der Gesellschaft zu etablieren. Trotzdem sind wir sehr daran interesiert die schwartzen Schafe sehr früh zu erkenne und auszusondern.

    Beste Grüße

    Matthias Hiegl

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