„Wir brauchen die Unterstützung einer pharma-unabhängigen Crowd“ – Riboxx-Gründer Dr. Jacques Rohayem im Interview

Portrait Jacques Rohayem

Die „Volkskrankheit Krebs“ ist omnipräsent, jeder steht in irgendeiner Weise mit ihr in Verbindung, ist selbst betroffen oder hat Betroffene im Bekannten- und Familienkreis. Dr. Jacques Rohayem arbeitet mit seinem Team daran, ein neues Medikament auf den Markt zu bringen, das für die Immuntherapie bei Krebs eingesetzt werden kann und vor allem Rückfälle bekämpfen soll – RIBOXXIM. Um weitgehend unabhängig an der Forschung und Entwicklung arbeiten zu können, möchte die Riboxx GmbH nun als erstes Pharma-Startup in Deutschland über eine Crowdfundingrunde bei Seedmatch das nötige Kapital einsammeln. Wir haben vor dem Fundingstart am kommenden Mittwoch, den 30. Juli 2014, mit Dr. Rohayem ein Interview geführt, in dem wir ihn zu seinem außergewöhnlichen Werdegang und seiner Innovation zur Behandlung von Krebserkrankungen befragt haben.

 

Seedmatch: Lieber Herr Rohayem, erzählen Sie uns ein wenig von sich und davon, wie Sie darauf gekommen sind, einen Wirkstoff gegen Krebs zu entwickeln und dann eine eigene Firma zu gründen? Die Möglichkeit, ein erfolgsversprechendes Mittel gegen Krebs zu entwickeln, hat man ja schließlich nicht alle Tage?

riboxx_rohayem_portraitDr. Jacques Rohayem: Ich bin von Beruf Facharzt für Virologie und Mikrobiologie, und habe parallel Biologie studiert. Meine Tätigkeit als Arzt erfolgt jedoch hauptsächlich im Labor, wo meine Mitarbeiter und ich diagnostische Untersuchungen an Blutproben von Patienten durchführen. Meine wissenschaftliche Tätigkeit befasst sich mit Viren, die als Erbgut die sog. RNS besitzen. RNS steht für Ribonukleinsäure. Die RNS ist ein Aktivator des Immunsystems. Wenn Viren unseren Körper befallen, schalten sie das Immunsystem EIN. Eines Tages kam ich auf die Idee, RNS synthetisch herzustellen und für die Aktivierung des Immunsystems gegen Tumorzellen zu benutzen. Dafür habe ich einen biokatalytischen Prozess entwickelt und patentieren lassen, den TENPORA®-Prozess. Mit der Hilfe von TENPORA® stellen wir den RIBOXXIM®-Wirkstoff gemäß industrieller Standards her.

Im Jahr 2007 habe ich den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgezeichneten GO-Bio-Preis im Rahmen eines bundesweiten Wettbewerbes erhalten. Ich hatte damals meine Habilitation gerade abgeschlossen und bekam einen Ruf auf eine Professur im Beamtenverhältnis an einer renommierten Institution in Deutschland, um meine Forschungsaufgaben künftig als Instituts-Direktor zu verfolgen.

Mein Traum war es aber, eine Firma zu gründen, um die Forschungsergebnisse, die ich generiert hatte, für die Entwicklung eines Medikamentes gegen Krebs zu verwenden. Ich wusste, dass ich Hochschul- und Unternehmerkarriere nicht gleichzeitig zum Erfolg führen könnte. Und mir war es klar, dass Wissenschaft alleine keine Medikamente für den Massenmarkt entwickeln kann. Dafür benötigt man Unternehmen und Unternehmer, die sich für die Innovation einsetzen. Es war ein Risiko für mich, aber ich brannte für das Gefühl, diesen Kampf gegen Krebs aufzunehmen und weiter fortzuführen. Ich sagte mir: „Du kannst deine Fähigkeiten, deine Energie und deine Kraft einsetzen und vielleicht mit einem kleinen Schritt dazu beitragen, die Behandlung der Krebserkrankungen nach vorn zu bringen. Dabei bist du nicht alleine, andere Wissenschaftler und Pharmaunternehmen kämpfen an deiner Seite.“

Ich habe mich also für die Gründung eines Unternehmens entschieden. Die Riboxx GmbH wurde am 07. Mai 2009 als Spin-off aus der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden gegründet. Wir konnten im Jahr 2010 Venture Capital vom Technologiegründerfonds Sachsen akquirieren, welcher u. a. auch beim Seedmatch-Startup OvulaRing dabei war und mehrere Millionen Euro Eigenkapital investiert hat.

 

Seedmatch: Der neuartige Wirkstoff aktiviert also das Immunsystem der Patienten – wo genau liegt der Unterschied zu bisher üblichen Behandlungsmethoden gegen Krebs?

Dr. Jacques Rohayem: Die Erstbehandlung von Krebs ist heute sehr effektiv. Je nach Krebsart werden Radiotherapie, Chemotherapie, Chirurgie oder Hormontherapie eingesetzt. Diese Behandlungsmethoden werden alleine oder in Kombination verwendet. Es gibt auch weitere mögliche Behandlungsverfahren, die sehr innovativ sind und gute Ergebnisse erzielen. Allerdings bleibt die Frage der Rezidiven, sog. Rückfälle, offen. Und gerade die Therapie von Krebsrückfällen gilt in der heutigen Medizin als besonders schwierig. In Deutschland sterben jährlich ungefähr 220.000 Menschen an Krebsrückfällen.

Nach der Erstbehandlung von Krebs durch z. B. Chemotherapie kann es zur Schwächung des Immunsystems des Patienten kommen. In vielen Fällen können einige Krebszellen im Körper übrig bleiben. Diese sind für Rückfälle verantwortlich. Der RIBOXXIM®-Wirkstoff bewirkt einen „Reset“ des Immunsystems. Dies führt zur Aktivierung der Immunzellen des Patienten gegen Krebszellen. Die Krebszellen werden erkannt und beseitigt. Dieser Ansatz zur Behandlung von Krebs wird „Immuntherapie“ genannt.

Die Immuntherapie ermöglicht zusätzliche Optionen zur Behandlungen von Krebs, insbesondere wenn keine anderen Optionen vorhanden sind. Wichtig dabei ist, dass der RIBOXXIM®-Wirkstoff die Immunzellen des Patienten aktiviert – unabhängig von der Krebsart. Deshalb ist RIBOXXIM® bei allen Krebsarten einsetzbar, eigenständig oder in Kombination mit anderen Behandlungenverfahren wie z. B. Radiotherapie, Chemotherapie, Chirurgie oder Hormontherapie.

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Seedmatch: Um ein Medikament zu entwickeln, braucht es in der Regel viel Geld für die Forschung und Entwicklung. Ist eine Crowdfunding-Kampagne bei Seedmatch da nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Dr. Jacques Rohayem: In der Tat kostet die Entwicklung von Medikamenten Summen in dreistelliger Millionenhöhe. Normalerweise entwickeln Pharmaunternehmen 10 bis 20 Wirkstoffe gleichzeitig, mit der Erwartung, dass lediglich ein bis zwei davon bis zur Marktzulassung kommen. Deshalb wird von der Öffentlichkeit wahrgenommen, dass die Entwicklung eines einzigen Wirkstoffes z. B. eine Milliarde Euro kostet. Das Problem bei der Entwicklung der Medikamente bei großen Pharmaunternehmen liegt eigentlich in der Innovation: Die Stärke von Pharmaunternehmen ist die Herstellung und Vermarktung eines Medikamentes. Dort liegen deren Expertisen und Know-how.

Die Schwäche der Pharmakonzerne liegt allerdings in der Innovationskraft. Damit meine ich nicht die Entwicklung von innovativen Produkten, sondern die Entwicklung von z. B. einer neuen Klasse von Medikamenten. In der Tat erfolgen alle diese bahnbrechenden Innovationen in kleinere Biotech-Unternehmen, die auf dem pharmazeutischen Markt ihre Erfindungen verwerten. Das haben Pharmaunternehmen erkannt. Der Trend der letzten fünf Jahren geht dahin, dass Pharmaunternehmen sich auf ihre Stärke und das Kerngeschäft konzentrieren, d. h. Herstellung und Vermarktung von Medikamenten. Um die Innovation weiter voran zu treiben, gehen sie Kooperationen mit sehr innovativen kleineren Biotech-Unternehmen ein.

Diese Kooperationen erfolgen in der vorklinischen Phase, d. h. vor der klinischen Testung bei Patienten. Das bedeutet, dass die optimale Kombination für eine erfolgreiche Entwicklung und Zulassung eines Medikamentes einer Partnerschaft zwischen innovativen Biotech-Unternehmen, wie der Riboxx, und großen Pharmaunternehmen ist. Diese Kooperation muss allerdings sehr früh stattfinden, d. h. vor der klinischen Testung bei Patienten.

 

Seedmatch: Wie ist ihr Team aufgestellt?

Dr. Jacques Rohayem: Die Team zählt heute 15 Mitarbeiter. Die Riboxx wurde bei der Gründung schon als „Think Tank“ konzipiert, das heißt, dass wir unsere Expertise in der Innovation sehen. Wir denken, erfinden, entwickeln und verwerten z. B. durch Auslizenzierung der Innovation an Partner wie Pharmaunternehmen. Deshalb beschäftigt die Riboxx sechs PhDs (Doktoren der Naturwissenschaften), die die Innovation und die Qualitätsstandards in der Herstellung vorantreiben.

Die Riboxx GmbH ist aber vor allem ein Unternehmen. Deshalb habe ich bereits bei der Gründung als erstes eine Controllerin angestellt, denn ohne eine straffe Führung der Finanzen kommen wir nicht weiter. Dazu kommt die Wichtigkeit der Vermarktung der Erfindungen. Hierzu ist ein Business Developer wie Dr. Chan, Leiter des Business Developments bei Riboxx, mit 25 Jahren Erfahrung in der Pharmabranche essentiell, um die Kontakte mit Pharmaunternehmen zu erstellen und die Auslizenzierung durchzuführen.

Das bedeutet: die Expertise für die erfolgreiche Durchführung unserer Projekte haben wir im Haus behalten. Alles, was nicht zum Kerngeschäft der Riboxx gehört, ist in einem Netzwerk von Partnern outgesourct, wie z. B. Rechtsanwälte, Patentanwälte und Lohnbuchhaltung.

riboxx_team

 

Seedmatch: Und zum Schluss die Frage, warum ein Crowdinvestor aus Ihrer Sicht in die Riboxx investieren sollte?

Dr. Jacques Rohayem: Pharma-Konzerne stehen manchmal vor der Entscheidung zwischen der Profit-Maximierung und dem Wohl des Patienten. Man würde glauben, dass dies immer einher gehen würde – aber die Wahrheit ist: bei manchen geht der Profit über den Patienten. Diese Haltung teilen wir nicht – im Gegenteil.

Wir sind aber auf Partnerschaften mit Pharmaunternehmen angewiesen. Eine klinische Entwicklung der Wirkstoffe in einer frühen Phase in Partnerschaft mit einem großen Pharmaunternehmen birgt für uns das Risiko, uns sehr stark abhängig zu machen, was wir nicht wollen. Deshalb werden wir die frühe Phase der klinischen Entwicklung, d. h. die klinische Testung, alleine durchführen. Das können wir nur durch unsere finanzielle Unabhängigkeit bei der Entwicklung dieser Medikamente erreichen. Das heißt, wir brauchen die Unterstützung einer pharmaunabhängigen Crowd, die in die Innovation von Riboxx investiert.

 

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1 Comment

  1. biotechster
    7. August 2014

    Ein sehr mutiger Weg, unabhängig von Pharma-Unternehmen in die klinische Entwicklung zu gehen! riboxx kann damit ein Zeichen setzen und zeigen, dass auch Biotech-Unternehmen Crowdfunding als Finanzierunsmöglichkeit nutzen können.

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